340 205. Vom ersten Kreuzzuge jetzt eine Fallbrücke vom Turme des Herzogs auf die Mauer nieder und stützten sie mit Balken. Zwei Brüder aus Flandern, Ludolf und Engelbert, betraten aus dem mittlern Stockwerk zuerst die Mauer; ihnen folgten, aus dem obern Stockwerk herbeieilend, Herzog Gottfried und Eustachius, sein Bruder, dann viele Ritter und geringere Pilger. Man sprengte das Stephansthor, und mit dem Rufe: „Gott will es, Gott hilft uns!" stürzten die Christen unaufhaltsam in die Straßen. Unkundig der Straßen, gelangte Tankred*) fechtend bis zur Kirche des hl. Grabes, hörte erstaunt das „Herr, erbarme dich unser!" singen, fand hier die jerusalemischen Christen versammelt und gab ihnen eine Wache zum Schutze gegen etwaige Anfälle der Sarazenen. Aber schon retteten sich' diese fliehend von den Straßen in die Häuser, vor allem 10 000 in den Tempel und dessen von Mauern eingeschlossenen Bezirk. Auch dahin drangen die Christen. — Man metzelte nieder, bis das Blut die Treppen des Tempels herabrieselte. Aufgehäuft lagen die Leichname, selbst in den abgelegensten Straßen; schrecklich war das Geschrei der Verwundeten, furcht¬ bar der Anblick der einzelnen, zerstreut umhergeworfenen menschlichen Glieder. Von 40000 Sarazenen blieben nicht so viele am Leben, als erforderlich war, ihre Glaubens¬ genossen zu beerdigen. Endlich wurden die Waffen aus der Hand gelegt; die Pilger reinigten sich vom Blute, entblößten Haupt und Füße und zogen unter Lobgesängen zur Leidens- und Auf- erstehungskirche. Feierlich wurden sie hier von den Geist¬ lichen empfangen, welche mit tiefer Rührung für die Lösung aus der Gewalt der Ungläubigen dankten, keinen aber mehr erhoben, als Peter den Einsiedler, weil dieser ihnen vor fünf Jahren Hilfe zugesichert und sein Wort gehalten hatte. Alle Pilger weinten vor Freude und konnten sich nicht satt sehen an den heiligen Stätten, wollten jegliches berühren und beichteten ihre Sünden und gelobten Besserung mit lauter Stimme. *) Tankred, Fürst von Apulien in Unteritalien, war nebst Gott¬ fried von Bouillon der edelste und hervorragendste Held des ersten Kreuzheeres.