192 harten, knöchernen Spitze, die nadelscharf zuläuft und sogar noch Widerhaken trägt wie ein Pfeil. Der übrige Theil der Zunge ist mit zähem Schleime überzogen wie eine Leimruthe. Die Ameisen eilen auf die Zunge selbst los und wollen beiszen und ihre ätzende Säure ausspritzen; Herr Specht läszt so viel ankleben, als Platz finden, und schluckt dann die ganze Schar seelenvergnügt hinunter. Hat er den eigenen Hunger befriedigt, so zieht er die Ameisenpuppen aus dem Bau hervor, dieselben langrunden, gelbweiszen Dingerchen, die man fälschlich oft Ameiseneier nennt. Diese trägt er seinen Jungen heim und füttert sie damit. Sowie die jungen Spechte gröszer werden, klettern sie im Schachte empor und stecken den Kopf neugierig zum Fenster hinaus. Sind ihnen die Federn hinlänglich gewachsen und die Beine stark genug, so versuchen sie das Klettern auch drauszen an der Rinde des Baumes. Sie lernen es viel früher als das Fliegen. Rückwärts klettern sie nur ungern, und wenn sie am Stamme ja ein Stück herunter steigen, so halten sie dabei den Kopf nicht nach unten, sondern nach oben. Die alten Spechte führen ihre erwachsenen Kinder selbst in den Wald und zeigen ihnen, wie sie sich Futter verschaffen können. Jetzt fliegen sie mit schnurrendem Flügelschlag in flachem Bogen nach dem Nachbarbaum und setzen sich ziemlich unten an dessen Stamm. Von dort geht die Reise hinauf, immer in kurzen Sätzen, einmal an dieser Seite, dann an der entgegengesetzten. Der steife Schwanz scheint dem Körper nicht blosz zur Stütze zu dienen, sondern ihn auch mit vorwärts zu schnellen. Bei jedem Sprunge schlagen die Krallen in die Baumrinde, so dasz man es deutlich hören kann. Jetzt macht der Kletterkünstler halt und schaut den Stamm ernsthaft an. Gewisz vermuthet er Würmer im Innern, Larven von Borkenkäfern und Holzwespen. Ob er ihr Arbeiten hört, ob er sie riecht oder auf andere Weise ihr Dasein merkt, wer kann das wissen? Genug, er hämmert mit seinem vierkantigen starken Schnabel so kräftig auf die Borke los, dasz die Splitter herumfliegen, — jetzt hat er das Wurmloch bloszgelegt. rasch fährt auch schon die spitze Zunge hinein, spieszt die weiche Käferlarve an und zieht sie heraus. Gleich darauf läuft er quer am Stamme hinüber auf die entgegengesetzte Seite, — die Waldarbeiter meinten wol ehedem, der Specht wolle zusehen, ob er das Loch bald durch den Baum habe. Er hat einen bessern Grund dazu. Das holzzerstörende Gesindel kennt sehr wol die Bedeutung des Rochens und Hämmerns und sucht der Gefahr dadurch zu entgehn, dasz es nach der gegenüberliegenden Seite entflieht; dort sieht der Specht denn nach und erfaszt es. Während des Winters bleiben die Spechte und ihre Ver¬ wandten bei uns, da sie auch dann ihre Nahrung auffinden.