— — —— — —— — —— — — 21 — —— — — — —— Pastor, der gerade im Garten spazieren ging, kam herzu und besah neu— gierig die Gruppe. Seine goldene Brille schob er auf die Stirn, er bückte sich, faßte langsam und vorsichtig das junge Vöglein und nahm es in die Hand. „O wehl o wehl du armes Tierchen!“ sprach er mitleidig. „Du bist wohl aus dem Neste gefallen und hast ein Bein gebrochen. Das ist eine schlimme Geschichte.“ In beiden Hhänden trug er das Vöglein vor— sichtig dem Hause zu. Die Eltern flogen ihm nach und piepten laut um ihr KNind zu trösten. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, kehrten sie zu ihrem Neste zurück und erzählten, was sie gesehen hatten. Ja, heute war ein Unglückstag. Sie wollten doch das Fliegenlernen noch ein paar Tage aufschieben. Niedergedrückt saßen sie alle beieinander und warteten, bis die Mittagshitze vorüber war. Da horchte auf einmal der Vater auf und sagte: „Die Stimme kommt mir bekannt vor. Was mag das für ein Piepen — Aber er sprach den Satz gar nicht zu Ende. In weiten Sätzen flog er durch den Garten der fernen Stimme nach. Die Mutter folgte ihm sofort. Das rufende Piepen kam aus dem Pastorenhause. Ja, es war die Stimme ihres Altesten. Die beiden Alten setzten sich auf die Spitze eines Syringenbaumes und sahen aufmerksam zum Dache hinüber, aber sie konnten den Bufer nicht erblicken. Sie antworteten ihm beide, so laut sie nur konnten. Und als er wieder rief, merkten sie, daß sein Rufen aus einem offenen Fenster tönte. Sofort flog die Mutter auf die Fensterbrüstung und lugte vorsichtig ins Zimmer. O, welche Freudel! Dicht am Fenster stand ein großer Tisch und mitten darauf lag ein Klumpen Watte und darin ihr Kind und eine Untertasse voll Milch und Zwieback stand daneben. Als der junge Buchfink seine Eltern erblickte, schlug er vor Freude mit den Flügeln und rief ihnen zu: „Kommt nur ruhig herein! Hier tut euch niemand etwas. Ich bin allein im Zimmer.“ Und als die Eltern den Mut fanden, bis auf den Tisch zu fliegen, sahen sie, daß das gebrochene Bein mit zwei Schwefelhölzern und einem Zwirnsfaden ge— schient war. — „Ach, hab' ich Hunger!l“ rief der Kleine. Sofort flog die Mutter herzu und fütterte ihn und der Vater schwang sich hinaus in den Garten um eine fette Raupe zu suchen. So fütterten sie ihn beide und es kam ihm vor, als wäre er noch im Neste. Nur die grünen Blätter⸗ gardinen fehlten ihm. Und als er satt war und die Eltern wieder zum Reste flogen, da trug er ihnen viele Grüße auf an die Geschwister. Nun saß er wieder allein auf dem großen Tische und sah zum Fenster hinaus und hörte draußen die Vögel singen, aber er konnte sich nicht bewegen. Nur wenn er stark mit den Flügeln schlug, kam er mühsam vorwärts. Das war sehr schmerzhaft und langweilig. Ach, wenn doch erst das Bein wieder heil wärel“ Dann kam wieder der Hunger. Er rief. Die Eltern kamen und fütterten ihn wieder und zeigten ihm, wie man aus der Untertasse das Brot pickt. Und dann kam der Abend und die Eltern