196 das ins Herz, wenn keins da ist! Und just so ging's dem armen Kolbheim oft genug. Das Betteln verstand er nicht; aber er verstand, Schuhe zu flicken, Kochlöffel zu schnitzen und Besen zu binden und solcher kleinen Künste mehr, und that's so fleißig, daß er sich kümmerlich mit seinen Kindlein durch¬ brachte;—aber es kam doch mancher „lange Tag." Der Kolbheim hatte einen recht guten Freund, der hieß Volkmann, war auch ein Witwer wie er und hatte sieben unerzogene Kinder. „Gleich und gleich gesellt sich gern," heißt's im Sprichworts und: „Das Unglück ist der beste Leim." Der Volkmann und seine Kinder hatten auch der Fasttage so viele, daß sie schier die schwere Kunst bald gelernt hätten, wenn nicht das Lehrgeld gar zu schwer wäre. Beide Leidensbrüder waren ein Herz und eine Seele. Da sagt der Volkmann zu seinem Spezial*) Kolbheim: „Ich ziehe nach Lauterberg ins Hannoversche; dort ist mehr Verdienst." Gesagt, gethan — und der Hausrat kostete nicht viel Fracht. Der Kolbheim wünscht ihm alles, was ihm heilbringend sein kann; aber der Arme fand's in Lauter¬ berg nicht; denn er erkrankte und starb, und die hungernden Kindlein schickten die von Lauterberg hin, wo sie hergekommen. Die Bauern im Dorfe dachten: „Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht," und ließen die hungernden Waisen laufen. Dachte auch der blutarme Kolbheim so? Nein, lieber Leser, der nahm die sieben Waisen seines Freundes in seine kleine Hütte zu seinen dreien, sah mit einer heißen Thräne gen Himmel und seufzte: „Herr, der du mit wenigen Broten Tausende gespeiset hast, hilf und verlaß mich nicht!" — Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten. Das, was Kolbheim gethan, wurde der preußischen Regierung in Erfurt bekannt, und die sandte ihm 40 Thaler zur ersten Hilfe; ein frommer Mann sandte heimlich 10 Thaler. Und der fromme Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. hörte es auch, der sandte dem guten Kolbheim ein Kapitälchen daß er sich konnte ein Feldgütchen kaufen, und eines der Volkmannschen Kinder kam ins Waisenhaus nach Halle, welches der fromme Francke gestiftet hat, der auch nicht sagte: „Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht." Saget auch ihr nie so, wenn ihr hadern höret, wenn ihr Zeuge fauler Geschwätze, sündhafter Flüche, schändlicher Handlungen oder menschlichen Jammers seid! — Das brennt euch wohl, und wenn ihr nicht blaset —- wie steht's dann um euer Gewissen? *) Spezial, Vertrauter, Freund.