191 Kaum war der Greis zur Gruft gebracht, so ward gegraben Tag und Nacht; mit Hacke, Karst und Spaten ward der Weinberg um und um gescharrt. Da war kein Klotz, der ruhig blieb; man warf die Erde gar durchs Sieb, zog Harken in die Läng' und Quer' nach jedem Steinchen hin und her. Allein, es ward kein Schatz verspürt, und jeder hielt sich angeführt. Doch kaum erschien das nächste Jahr, so nahm man mit Erstaunen wahr, datz jeder Weinstock dreifach trug. Da wurden erst die Söhne klugH und gruben nun jahrein, jahraus des Schatzes immer mehr heraus. Chr. von Schmiv. 205. Sorge für die Nachkommen. Ein vornehmer Herr traf einen alten Mann an, der einen Nußbaum pflanzte. Er ging auf den Greis zu und fragte, wie alt er sei. „Über achtzig Jahre,“ war die Antwort, „aber gottlob! noch gesund wie einer von dreißig!“ „Wie lange gedenkst du denn zu leben,“ sprach der Herr weiter, „daß du in solchem Alter noch junge Bäume pflanzest, die so spät Früchte tragen? Warum machst du dir so vergebliche Arbeit?“ „Herr,“ gab der Alte zur Antwort, „ich bin zufrieden, wenn ich die Bäume gepflanzt habe, ohne mich darum zu bekümmern, ob ich oder ein anderer die Früchte derselben genießen werde. Es ist billig, daß wir tun, wie unsere Väter taten. Sie pflanzten Bäume, deren Früchte wir essen; da wir nun der Väter Arbeit genossen haben, warum sollen wir gegen unsere Nachkommen liebloser sein, als jene gegen uns waren? Ich denke, was der Vater nicht genießt, das erntet der Sohn.“ 206. Der Hufnagel. Ein Kaufmann hatte auf der Messe gute Geschäfte gemacht, alle Waren verkauft und seine Geldkatze mit Gold und Silber gespickt. Er wollte jetzt heimreisen und vor Einbruch der Nacht zu Hause sein. Er packte also den Mantelsack mit dem Gelde auf sein Pferd und ritt fort. Zu Mittag rastete er in einer Stadt. Als er weiter wollte, führte ihm der Hausknecht sein Rotz vor,'sprach aber: „Herr, am linken Hinterfutz fehlt im Hufeisen ein Nagel." — „Latz ihn fehlen!" erwiderte der Kaufmann. „Die sechs Stunden, die ich noch zu