295 seine Glieder wurden steif; er konnte sich des Schlafes nicht erwehren, legte sich' in den Schnee auf sein Bündel und schlief ein. 2. Gleich darauf ritt ein Postknecht des Weges, sah den Menschen wie tot im Schnee liegen, gab seinem Gaule die Sporen, und in Preßburg am Tore klopfte er ans Wachthaus und rief hinein: „Hört, da draußen auf der Heide, links am Wege, liegt ein Mensch, der ist wohl erfroren!" — „Wie ist da zu helfen?" sagten die Leute drinnen; „ist er nicht schon tot, so ist er doch gestorben, ehe wir hinauskommen; und überdies ist's schon finstere Nacht." Dabei machten sie das Fenster wegen des scharfen Luftzuges zu, und der Postknecht ritt nach seinem warmen Stalle. 3. Indes ging im Wachthause die Tür auf, und ein starker Mann trat still heraus und ging mit rüstigen Schritten in die Nacht hinein. Und als eben die Soldaten in der Wachtstube sagten: „Wo ist denn der Tagelöhner geblieben, der sich eben am Ofen gewärmt hat?" war der schon weit vom Wachthause auf der Landstraße und dachte: „Wenn Gott hilft, so rette ich ihn; haben mich meine Eltern doch so gewöhnt, daß ich mich vor Frost und Nacht nicht fürchte." 4. Der arme Tagelöhner fand den Verunglückten, der schon steif und ohne sichtbares Leben war, trug ihn auf seinem Rücken ins nächste Dorf, rieb ihn mit Schnee und brachte ihn danach in ein warmes Bett. Bald schlug der Bursche die Augen auf, und am andern Tage konnte ihn der Tagelöhner weiter in die Stadt führen. „Ich habe gerade auch nicht viel zu essen," sagte er; „aber auf ein paar Tage reicht's für uns beide hin, bis Ihr wieder stark genug seid und in Euere Heimat wandern könnt." 5. Die Geschichte mußte der Kaiser Joseph gehört haben; denn als er im Sommer darauf durch Preßburg ritt, und der Tagelöhner gerade aus seinem Häuschen sah, nahm der Kaiser seinen Hut vor ihm ab und sagte: „Seid Ihr's, braver Mann?" Nachher schickte ihm der Kaiser auch eine Rolle mit Talern ins Haus. — Aber der Postknecht und die Leute im Wachthause ließen sich nicht sehen vor dem Kaiser. 302. Die zwei Wanderer. Zwei Wanderer zogen gemeinsam über Land. Als sie unter¬ wegs ausruhten in einer Herberge, erscholl plötzlich das Geschrei: „Feuer, Feuer!" Da sprang der eine Wanderer auf, warf Stab und Bündel von sich, um eilends zu helfen; der andere aber hielt ihn zurück und sprach: „Weshalb sollen wir hier verweilen? Sind nicht Hände genug zum Helfen da? Was kümmern uns die Fremden?" — Aber jener hörte nicht auf die Reden, sondern lief hinaus zu dem brennenden Hause; nun folgte der andere langsam und stand und