206 hatte etwas dagegen, daß sich die Schnecke ein gemütliches Plätzchen aussuchte. Da nahm die Ameise das Wort und sprach: „Warum sitzen wir hier so trübselig beieinander und langweilen uns, da wir uns doch die Zeit auf angenehme Weise verkürzen könnten? Ich sehe, daß die Grille ihre Violine bei sich hat. Wenn sie nicht gar zu müde ist, möcht' ich sie bitten, uns ein lustiges Stücklein zu spielen, damit wir eins tanzen können." — Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall. Die Grille stellte sich in die Mitte und spielte das lustigste Tänzchen, welches sie auswendig wußte, während die andern herum¬ tanzten. Nur die Schnecke tanzte nicht mit. „Ich bin," sagte sie, „an das Lerumwirbeln nicht gewöhnt, mir wird so leicht schwindelig. Aber tanzt, so viel ihr wollt, ich sehe mit Vergnügen zu." — Die andern ließen sich denn auch gar nicht stören, sondern vollführten einen Jubel, daß man es auf drei Schritt Entfernung hören konnte. Aber ach! durch ein furchtbares, ungeahntes Ereignis wurde plötzlich ihr Fest unterbrochen. Der Pilz, unter welchem die lustige Gesellschaft tanzte, gehörte leider einer alten Kröte. An schönen Tagen saß sie oben auf dem Dache; wurde aber schlechtes Wetter, so kroch sie unter den Pilz, und es konnte ihretwegen regnen von Pfingsten bis Weihnachten. Diese Kröte nun war am Nachmittage nach dem nächsten Moore zu ihrer Base, einer Anke, gegangen und hatte derselben so viel zu erzählen gewußt, daß es darüber dunkel geworden war. Jetzt am Abend kam sie leise nach Lause geschlichen, Als sie in ihrem Lause den Jubel hörte, trat sie noch leiser auf; so kam es, daß die Leutchen drinnen sie nicht eher gewahr wurden, als bis sie mitten unter ihnen stand. Das war eine unerwartete Störung! Der Käfer fiel vor Schreck auf den Rücken, und es dauerte fünf Minuten, ehe er wieder auf die Beine kommen konnte. Das Leuchtkäferchen dachte erst zu spät daran, daß es hätte sein Laternchen auslöschen sollen, um in der Dunkelheit zu entwischen Die Grille ließ mitten im Takte ihr Violinchen fallen, die Ameise sank rus einer Ohnmacht in die andere, und selbst die Schnecke, die sonst nicht so leicht außer Fassung zu bringen ist, bekam ein Lerzklopfen. Sie wußte sich aber schnell zu helfen; sie kroch in ihr Läuschen, riegelte die Tür hinter sich zu und sprach zu sich: „Was da will, kann kommen! Ich bin für niemand zu Lause." Nun hättet ihr aber hören sollen, wie die Kröte die armen Leutchen heruntermachte. „Dachat sich ja ein schönes Lumpengesindel zusammengefunden! Ist das eine Lerberge für Landstreicher und Dorfmusikanten? Nicht aus dem Lause kann man gehen, gleich