199 24 gebracht werden sollen, durchprüft. Darauf folgen wieder im ganzen Reichstag eine zweite und eine dritte Lesung“‘ des Gesetzentwurfs, bis dieser endlich angenommen oder abgelehnt wird. Ist der Gesetz- entwurf vom Reichstag angenommen, so unterliegt er nochmals b der Beratung des Bundesrats, ehe er Gesetz wird und der Kaiser ihn als solches durch Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt ver- kündet. Bundesrat und Reichstag haben namentlich bei dem Haus- halt des Reiches mitzusprechen. Wie nämlich ein ordentlicher 10 Haushalter für die Einnanmen und Ausgaben seines Haushalts alljährlich einen Voranschlag macht, so geschieht dies auch im Reiche. In einem ordentlichen Haushalt dürfen die Ausgaben nicht gröber sein als die Einnanhmen. So sollte es in jedem Staate auch sein. Trotzdem haben alle Staaten Schulden. VWie kommt das? Einmal daher, daß die Staaten mancherlei wertvollen Besitz, der früher in Privathänden war, erworben haben, so z. B. Preuben die meisten in seinem Gebiete gelegenen Eisenbahnen. In solchen Fällen stehen also den Schulden, die dafür gemacht werden, auch 20 hohe Einnahmen gegenüber. Gegen solche Schulden ist also nichts einzuwenden. Dann hat jeder Staat oft grobe Ausgaben, die nicht nur den Mitlebenden zugute kommen, sondern auch deren Kindern und kindeskindern. Da ist es nun recht und billig, dab er nicht von jenen allein die erforderlichen Summen erhebt — etwa beim 26 Bau eines Kanals, eines Hafens —, sondern es so einrichtet, dab auch die Nachkommen noch an den Kkosten tragen, wie sie ja auch Vorteile haben. In vielen Fällen aber müssen Anleihen aufgenommen werden, weil die notwendigen Ausgaben des Staates grõöber waren als die Einnahmen, weil im Staatshaushalt 80 ein Fehlbetrag — Defizit — vorhanden war. Das ist ja auch im Haushalt mancher Familie nicht zu vermeiden. Wie aber ein ordentlicher Hausvater sich bemühen wird, eine Anleihe, die er aufnehmen mubte, möglichst bald wieder zurückzuzahlen, so sucht auch ein geordnetes Staatswesen seine Schulden immer wieder 35 zu tilgen. In den Einzelstaaten sind als Berater der Monarchen und als Leiter der einzelnen Zweige der Staatsverwaltung die Minister tãätig. Diese Herren bilden zusammen das Staatsministerium, dessen Be— ratungen der Ministerpräsident leitet. Der oberste Reichsbeamte ist 10 der Reichskanzler. Dieser leitet die Geschäfte des Bündesrats und den Verkehr zwischen diesem und dem Reichsstag. Er trägt durch seine Gegenzeichnung die Verantwortlichkeit für die kaiserlichen Erlasse und beaufsichtigt die verschiedenen Zweige der Reichs- 15