424 CJ ö reiches Wild, namentlich Eber, auch Hyänen und Leoparden sollen in diesem dichten Gebüsch hausen. Aber uns kam keiner der borstigen und gefleckten Gesellen zu Gesicht. Wunderschön waren die Waldwege, denen wir nachgingen. Als sie uns wieder dicht an das Ufer führten, sahen sb wir gegenüber turmhohe, steile Felsuferwände. Mit Sonnenuntergang trafen wir in Jericho ein. Die Nacht brachte uns noch einen scharfen Ritt nach dem Toten Meere; denn wir wollten seinen Anblick bei Mondschein genießen. Das Nachtbild war von feier— licher, ergreifender Schönheit. Das süße Dämmerlicht umfing Berg und 10 Tal. Die Blumen entsandten ihre Düfte in die schweigende Nacht. Der Vollmond goß sein mildes Licht über das merkwürdige, stille, nacht— umfangene Land. Auf dem Toten Meere aber glänzte ein langer, breiter Lichtstreif wie ein funkelndes Diamantband, und in der Ferne rauschte der Jordan, als wollte er uns erinnern an große und heilige Zeiten. 15 2. Am See Genezareth. Der See Genezareth war unser Ziel, als wir in der Mittagsstunde von der stolzen Höhe des Tabor aufbrachen. Unsere Pferde hatten droben auf dem majestätischen Berge gut ausgeruht und flogen nun um so lustiger durch das hellgrüne Waldesdickicht, das den Fuß des Tabor umsäumt. 20 Aber bald klommen sie nur noch mühsam zwischen den rauhen Basalt— steinen und Blöcken weiter. Die Sonne brannte heiß, und auf eintönigen, nicht enden wollenden Pfaden trugen uns unsere Tiere keuchend weiter. Gegen Abend erreichten wir den Saum des steinigen Hochlandes. Da, als wir eben auf einen Vorsprung desselben hinaufgaloppierten, lag plötzlich der 25 See Genezareth vor uns in seiner ganzen Ausdehnung. Leuchtend im tiefsten Blau, in ruhigem Glanze, schaute er herauf aus einem farbigen Kranze duftiger Berge, als ruhte noch ein Widerschein jenes milden, klaren Heilandsauges darauf, das sich vor nahezu 1900 Jahren oft in diesen Wassern gespiegelt. Der Anblick kam uns so unvermutet und überraschend, daß jeder mit einem Ausruf freudiger Verwunderung Halt machte und hinabschaute auf die stille, blaue Pracht der Tiefe. Der Blick auf den See war entzückend. Die Berge, die ihn umschlossen, waren von der scheidenden Sonne lieblich gerötet und warfen ihr Spiegelbild hinab in die leuchtende Flut. Dort lag einst Kapernaum, dort auf dem dunkeln Hügel Chorazim, dort, an der lieblichsten aller Buchten, Bethsaida, dort die grüne Ebene Gennesar, hier zu unsern Füßen im Tale Tiberias mit seinen weißen, dicht an den See gebauten Häusern. Endlich ritten wir weiter auf steilen, gewundenen Pfaden hinab nach Tiberias, wo wir übernachteten. Ein herrlicher Sonnenaufgang begrüßte uns am Sonntagmorgen. Es war der 17. Sonntag nach Trinitatis. Unser Hauptgottesdienst sollte heute eine Fahrt über den See nach Kapernaum sein, und die alte Heimat 35