257 abzuwehren. Es ist Mir eine große Beruhigung vor Gott und den Menschen, daß Ich dazu in keiner Weise Veranlassung gegeben habe. Ich bin reinen Gewissens über den Ursprung dieses Krieges und der Gerechtig¬ keit unserer Sache vor Gott gewiß. Es ist ein ernster Kampf, den es gilt, und er wird Meinem Volke und ganz Deutschland schwere Opfer aus¬ legen. Aber Ich ziehe zu ihm aus im Aufblicke zu dem allwissenden Gott und mit Anrufung Seines allmächtigen Beistandes. Schon jetzt darf Ich Gott dafür preisen, daß vom ersten Gerüchte des Krieges an durch alle deutschen Herzen nur Ein Gefühl rege wurde und sich kund gab: das der Entrüstung über den Angriff und der freudigen Zuversicht, daß Gott der gerechten Sache den Sieg verleihen werde. Mein Volk wird auch in diesem Kampfe zu Mir stehen, wie es zu Meinem in Gott ruhenden Vater ge¬ standen hat. Es wird Mir alle Opfer bringen, um den Völkern den Frieden wiederzugewinnen. Von Jugend auf habe Ich vertrauen gelernt, daß an Gottes gnädiger Hilfe alles gelegen ist. Auf Ihn hoffe Ich und fordere Mein Volk auf zu gleichem Vertrauen. Ich beuge Mich vor Gott in Erkenntnis Seiner Barmherzigkeit und bin gewiß, daß Meine Lands¬ leute es mit Mir tun. Demnach bestimme Ich, daß am Mittwoch, den 27. Juli, ein außerordentlicher, allgemeiner Bettag gehalten und mit Gottesdienst in den Kirchen sowie mit Enthaltung von öffentlichen Ge¬ schäften und Arbeiten, soweit die dringende Not der Zeit es gestattet, be¬ gangen werde. Zugleich bestimme Ich, daß während der Dauer des Krieges in allen öffentlichen Gottesdiensten dafür besonders gebetet werde, daß Gott in diesem Kampfe uns zum Siege führe, daß Er uns Gnade gebe, auch gegen unsere Feinde uns als Christen zu verhalten, und daß Er uns zu einem die Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands dauernd ver¬ bürgenden Frieden in Gnaden gelangen lasse. Berlin, 21. Juli 1870. Wilhelm. 2. An die Armee. Ganz Deutschland steht einmütig in den Waffen gegen einen Nachbar¬ staat, der uns überraschend und ohne Grund den Krieg erklärt hat. Es gilt die Verteidigung des bedrohten Vaterlandes, unserer Ehre, des eigenen Herdes. Ich übernehme heute das Kommando über die gesamte Armee und ziehe getrost in einen Kampf, den unsere Väter in gleicher Lage einst ruhmvoll bestanden. Mit Mir blickt das ganze Vaterland vertrauensvoll auf euch. Gott der Herr wird mit unserer gerechten Sache sein. Mainz, den 2. August 1870. Wilhelm. 230. Dìe Wacht am Rhein. 1. Es braust ein Ruf wie Donnerhall, Wie Schwertgeklirr und Wogenprall: Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein! Wer will des Stromes Hüter sein? Lieb Vaterland, magst ruhig sein, Fest steht und treu die Wacht am Rhein!