— 162 — Baum auch eine Versteigeruug. Der nun in Konkurs geratene Bauer hatte damals den Hof übernommen von seiner Mutter, die als Witwe nochmals heiratete und, durch Unglücksfälle in Schulden geraten, dem Sohne nicht sein ganzes Vermögen sofort herausgeben konnte. Der un¬ barmherzige Sohn ließ der Mutter alles, selbst ihr Bett, versteigern. Allein trotz seines Reichtums kam er immer mehr- zurück, er konnte seine Gläubiger nicht mehr befriedigen, — und heute, nach fünfzehn Jahren, wird ihm unter dem gleichen Baum auch sein Eigentum versteigert." 1892 stand ein scchsundzwanzigjähriger Eisenbahnarbeiter vor dem Schwurgericht; er hatte seinen eigenen Vater ermordet. Er gestand sein Verbrechen, fügte aber bei, daß der jetzt von ihm erstochene alte Mann auch gegen seinen eigenen Vater einst das Messer gezückt habe. Man sollte freilich meinen, solche Dinge wären gar nicht möglich. Sind doch die Eltern Gottes Stellvertreter und die größten Wohltäter der Kinder! 3. Als Cleveland, der Präsident der Vereinigten Staaten Nordamerikas, im Jahre 1885 den Amtseid leisten mußte, da hob er seine Rechte zum Himmel, die Linke aber legte er auf die Heilige Schrift, welche ihm einst seine brave Mutter zum Andenken gegeben, als er zum Studieren auszog. Thomas Morus, Lordkanzler von England, ließ seinem Vater bei den feierlichsten Anlässen den Vortritt und ging nie an seine Staats¬ geschäfte, ohne vorher kniend den Vater um seinen Segen gebeten zu haben. König Ferdinand II. von Kastilien hatte einen herrlichen Sieg iiber die Ungläubigen erfochten und kehrte im Trimuphe in seine Hanpt- stadt zurück. Sein alter Vater, der nicht mehr recht gehen konnte, ließ sich in einer Sänfte ihm entgegentragen. Sobald der König es sah, sprang er vom Pferde, umarmte ehrerbietig seinen Vater und ging neben der Sänfte zu Fuß einher bis zu seinem Palaste, wo er selber den Vater auf seinen Armen ins Zimmer trug. Noch vor wenigen Jahren sah man in einem Dörfchen des Schweizerlandes alle Sonn- und Feiertage zwei starke, junge Burschen einen alten Mann in einer Sänfte den Berg heruntertragen, — es waren zwei brave Söhne, die ihren Vater zwei Stunden weit zur Kirche brachten. Das waren gute Kinder, an denen sich gewiß das Wort der Schrift erfüllte: „Ehre deinen Vater, damit sein Segen bis ans Ende daure." Einen solchen Segenswunsch sprach im Jahre 1880 eine Mutter in Freiburg (Baden) über ihren Sohn aus. Er war durch einen Unglücks¬ fall ums Leben gekommen. Jahrelang hatte er seinen verdienten Lohn zur Unterstützung seiner alten Mutter verwendet. Als beim Leichenbegängnisse der Sarg ins Grab hinuntergesenkt wurde, da trat die schmerzgebeugte Mutter hervor und rief mit lauter Stimme: „Vergelt dir Gott alles, was du an mir getan hast!" Das ist die schönste Leichenrede, die eine Mutter ihrem Sohne halten kann. Mögen darum alle Söhne niemals das vierte Gebot vergessen: „Ehre Vater und Mutter, auf daß es dir