— 32 — wo einmal noch, eh' du ziehst fort, durceh deine Seele tönt das Wort: Vorũüber, vorüber! Und dann auch gibt, was du golebt, was du getan, was du erstrebt, was du geglaubt, was du gesollt, was du gekämpft, was du gewollt, dir unabweislich das Geleit, hinüber in die Ewigkeit. O denke dran bei jedem Schritt: Was hier du lebst, es gehet mit hinüber, hinüber! Boauo. 28. Eisblumen. Dernnwlten lagerten über der Residenz. In den schneebedeckten Straßen war es seltsam still. Wo noch gestern ein lärmendes Weltgetriebe hin- und hergewogt, sah man heute trotz der vorgerückten Morgenstunde nur vereinzelte Fußgänger, hörte statt der rasselnden Wagen nichts als das Knirschen ihrer Räder, welches in gleichmäßigen Pausen von dem hastigen Läuten der Pferdebahn übertönt wurde. Sogar die Sperlinge hatten aufgehört zu zwitschern. In langen Reihen kauerten sie an den Fassaden der altersgrauen Gebäude und wagten kaum, sich zu rühren, aus Furcht vor den feinen, in der Luft umherflirrenden Eisnadeln. Nur ein dicker Spatzenvater flog von Zeit zu Zeit nach der Thermometersäule an der nächsten Ecke, um zu sehen, ob noch immer 12 Grad Kälte wären. Aber jedesmal kehrte er mut— loser zurück, zog endlich seinen Federmantel in die Höhe und versank in stoische Betrachtungen. Und wer hatte diese Veränderung bewirkt? Wer anders als Meister Frost! Über Nacht war er eingekehrt in die Stadt, um sie nach allen Regeln der Kunst für die beginnende Wintersaison zu schmücken. Mit klingendem Hammer hatte er an Giebel, Erker und Mauervorsprünge silberne, seltsam geformte Zapfen genagelt, hatte die Dachkanten mit funkelnden Brillantenschnüren umsäumt, über den Kanal ein bläulich-blankes Parkett gelegt und endlich die kahlen Bäume am Ufer so geschickt mit Reif überzogen, daß sie aussahen wie riesige weiße Korallen. Auf alle Fenstersimse aber hatten seine zahlreichen flinken Gesellen glitzernde Eiskörner gestreut. Daraus waren märchen— hafte Blumen hervorgesproßt, holde Töchter des Winters, die gleich Erscheinungen aus „Tausend und eine Nacht“ an den Glasscherben der