622 356. Erlag Kaiser Wilhelms II. vom 17. November 1906. Deutscher Reichsanzeiger. Der heutige Tag, an welchem vor 25 Jahren der in Gott ruhende Kaiser und König Wilhelm der Große Seine unver¬ geßliche Botschaft erließ, gibt Mir willkommenen Anlag, mit dem deutschen Volke in ehrfurchtsvoller Dankbarkeit dieses Friedens¬ werkes zu gedenken, durch welches Mein erlauchter Ahnherr zum Schutze der wirtschaftlich Schwachen der Gesetzgebung neue Bahnen wies. Nach Seinem erhabenen Willen ist es unter freudiger Zu¬ stimmung der verbündeten Regierungen und der verständnis¬ vollen Mitwirkung des Reichstages gelungen, den schwierigen und weitverzweigten Ausbau der staatlichen Arbeiterfürsorge auf dem Gebiete der Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung so zu fördern, daß die Hilfsbedürftigen in den Tagen der Not einen Rechtsanspruch auf gesetzlich geregelte Bezüge besitzen. Die Arbeiter haben damit dank den umfassenden Leistungen des Reichs und ihrer Arbeitgeber sowie auf Grund ihrer eigenen Beiträge eine erhöhte Sicherheit für ihren notwendigen Lebens¬ unterhalt und für den Bestand ihrer Familien erreicht. Die großen und werbenden Gedanken der Kaiserlichen Botschaft haben diesen Erfolg aber nicht nur in unserm eigenen Vater¬ lande gezeitigt, sondern wirken auch weit über dessen Grenzen hinaus vorbildlich und bahnbrechend. Leider wird die Erreichung des höchsten Zieles der Kaiserlichen Botschaft gehemmt und verzögert durch den andauernden Widerstand gerade von der Seite, welche glaubt, die Vertretung der Arbeiterinteressen vorzugsweise für sich in Anspruch nehmen zu können. Gleich¬ wohl vertraue Ich auf den endlichen Sieg gerechter Erkenntnis des Geleisteten und auf wachsendes Verständnis für die Grenzen des wirtschaftlich Möglichen in allen Kreisen des deutschen Volkes. Dann wird sich auch die Hoffnung Kaiser Wilhelms erfüllen, daß sich die Arbeiterversicherung als dauernde Bürg¬ schaft innern Friedens für das Vaterland erweisen möge. In dieser Zuversicht ist es Mein fester Wille, daß die Gesetz¬ gebung auf dem Gebiete der sozialpolitischen Fürsorge nicht ruhe und in Erfüllung der vornehmsten Christenpflicht auf den Schub und das Wohl der Schwachen und Bedürftigen fortgesetzt bedacht sei. Durch gesetzliche Vorschriften und Leistungen allein ist indes die Aufgabe im Geiste der Kaiserlichen Botschaft und