— 311 — „Nr. 32 sagt: „Die werden samt ihrem Meister zum Teufel fahren, die vermeinen, durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein.“ Mr. 36: „Ein jeder Christ. so wahre Reue und Leid über seine Sünden hat, der hat völlige Vergebung von Pein und Schuld, die ihm auch ohne Ablaßbrief gehört.“ Und Nr. 62: „Der rechte wahre Schatz der Kirche ist das heilige Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.“ 5. Diese 95 Sätze waren ein Notschrei, der aus der Tiefe des erregten Gemüts hervordrang. Luther sprach mit ihnen aus, was in Taufenden deutscher Herzen schlummerte. Was keiner gewagt, das hatte 10 er getan; er hatte einen offenbaren Mißstand der Kirche bloßgelegt, zugleich aber auͤch schon mit dem ersten Satze auf den hingewiesen, der allein unser Herr und Meister ist. Damit hatte das Werk der Refor— mation seinen Anfang genommen. Die Sätze machten gewaltiges Aufsehen. Als wären die Engel selbst 15 die Boten gewesen, so wuͤrden sie in wenigen Wochen durch ganz Deutsch⸗ land, ja duͤrch Europa verbreitet. Jedermann las sie mit Begierde, und allerorten spraͤch man von dem mutigen Mönch in Wittenberg, der furchtlos die Wahrheit sagte. Vielen aber drangen die Worte tief ins Herz, daß sie vor Freude aufschrien, wie der fromme Dr. Fleck, und mit ihm riefen: 20 „Hoho, der wird's tun; er kommt, auf den wir so lange gewartet haben!“ 6. Um so heftiger entbrannte nun auch der Zorn seiner Feinde. Sie ruhten nicht eher, als bis der Papst den kühnen Streiter in den Bann tat und feine Lehre verdammte. Luther aber zeigte seinen Wider⸗ sachern, daß er ihren Grimm nicht fürchte. Am 10. Dezember 1520 zog 25 er mit einer großen Schar seiner Schüler und Freunde vor das Elstertor in Wittenberg; dort wuͤrde ein Scheiterhaufen errichtet, und als er ent— zünden war, warf Luther den päpstlichen Bannbrief in das lodernde Feuer min den Worten: „Weil du den Heiligen des Herrn (Christum) betrübet hast, so verzehre dich das ewige Feuer!“ Damit sagte er sich 30 für immer vom Papst und von der römischen Kirche los. 294. Läed von der Wittenbergischen Nachtigall, die man jetzt höret überall. Wacht auf, es nahet sich der Daraus die lichte Sonn' tut blicken, 35 Tag; des Mondes Schein tut sich ver- ich höre singen im grünen Hag drũcken. eine wunderfeine Nachtigall; Der ist jetzt worden bleich und ihre Stimm' durchklinget Berg und dunkel, Tal. der erst mit seinem falschen Gefunkel 40 Gen Westen neiget sich die Nacht, die Schafe alle hat geblendet, im Osten nun der Tag erwacht. daß sie sich haben abgewendet Die goldigrote Morgenröt' von ihrem Hirten und der Weid', her dures die trũüben Wolken geht. und haben sie verlassen beic. Die Nachtigall singt in dem Hag: 45 „WMacht auf, es nahet sich der Tagle Hans Sachs. 21*