A Ich konnte lange nicht einschlafen. In kurzen Zwischenräumen hob und senkte fich das Schiff. Ein Gebrüll zitterte durch das ganze Haus, als sollte alles aus den Angeln gehn. Da schlafe mal jemand, besonders wenn die Handtücher von den Nägeln herabwehen wie Fahnen und die Wassergläfer aus ihren Einschnitten herauspoltern und man auch dann 5 und wann einen derben Rippenstoß von der eisernen Bettlehne bekommt. Die Nacht wollte und wollle nicht herum. Gegen 4 Uhr schlief ich endlich ein. Da auf einmal wurde ich wieder wach. In all das Toben der Elemente mischte sich der Morgengruß der Hörner. Der Kapellmeister unsers Schiffes hatte sehr sinnig das Lied gewählt: „Harre, meine Seele, 10 harre des Herrn!“ Nie in meinem Lben hat mich ein Lied so erquickt und getröstet wie dieses. „In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott!“ Ein Elberfelder hat's gedichtet, und Tausende sungen und sprechen es ihm nach in der Stunde der Not. Dazu welch eine herrliche Melodie! 15 Beim Frühstückstisch war fast niemand. Die meisten lagen seekrank danieder. Nur drei his vier Personen wagten sich auf Deck. Es regnete nicht, aber fortwährend sprühten ganze Guͤsse über das Schiff hin. Ein Offigier tröstete uns, nannte das Wetter nicht mal einen eigentlichen Slurm, sondern nur eine sehr grobe See. Wenn sie noch gröber werden 20 kann, dann allerdings muß es schlimm hergehn. Kurz, ich war froh, als gegen Abend das Heulen nachließ und das Schiff wieder ebener ging. Andern Morgens lachte der herrlichste Sonnenschein über die grünen Fluten, und nach zwei Tagen packten wir freudig unsre Sachen, denn der Lotse von New York war gekommen. Bald, bald mußte der neue 25 Erdteil auftauchen. Wilh. Löhr. 381. Land und Leute in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. 1. Was fleißige und ernste Arbeit vermocht hat, das zeigt die Ge— schichle der Vereinigten Staaten. Kaum dreihundert Jahre sind verflossen 30 seit jenen Tagen, an denen die ersten Ansiedler sich in den unwirtbaren, bewaͤldeten Küstenländern niederließen, die von kriegerischen, wilden Indianerftämmen bewohnt wurden. Hier lockten nicht Gold und mühe— lose Ernten, die man nur vom Baume zu schütteln brauchte; hier mußte hart und schwer das tägliche Brot errungen werden. Die Art in der 35 einen Hand, um die Bäume des Ürwaldes niederzuschlagen, die Büchse in der asern, um dem Indianer, der mit dem Tomahawt sich herbeischlich, zu widerstehn, so führten die ersten Ansiedler ihr beschwerliches und ge⸗ fahrvolles Leben. Mehr und mehr sanken vor den schwachen Halmen des Ackers die starken Baumriesen des Urwaldes dahin. Die Rothäute sahen 40 immer mehr „Blaßgesichter“ ihr Land füllen, immer mehr über die große Salzsee kommen. Wie verhältnismäßig jung sind die ältesten und en Slädte der Union, — jenes New hork, das die Holländer im Jahre 1612 unter dem Namen Reuamsterdam gründeten, jenes Boston, das achtzehn Jahre später die um jhres Glaubens willen verfolgten Refor-⸗ 45