muß man aufsuchen, will man den Blick an duftigen, saftigen Grasflächen weiden. Wenn nach trüben Wintertagen der Strahl der Sonne wärmer und voller herabdringt, dann ist es die Wiese, der grasumsäumte Fußpfad, der quellige Rasen, der die ersten grünen Halmspitzen 0 zeigt und dem harrenden Menschen den Sieg des Lichtes verkündigt. Solange der Vorfrühling kräftigere Farben und Formen noch nicht hervorzubringen vermag, ist es nur das bescheidene Maßliebchen (Gänseblümchen), das gruppenweise freundlich aus dürftigem Rasen hervorblickt. Es liegt noch halb an der Erde; aber mitten aus io den weißen Sternchen leuchtet ein goldener Herzpunkt, ein erster Sonnenfunke, und bald folgen genügsame Kreuzblütler, hier am Rain das Hirtentäschel mit seinen dreieckigen Schötchen, das Hungerblümchen, und dort in wasserreicherem Boden und vollerem Wüchse das würzige Schaumkraut: alle noch in das erste, schüchterne 15 Weiß gekleidet. Allmählich mischt sich schon warmes und bald feurigstes Gelb in das saftigere Grün. Wo auf hügeliger Strecke ein Gebüsch sich aufstellt, da grüßt uns das Himmelsschlüsselchen, die liebliche, vielbesungene Blume. Wie ein Bündlein goldener Schlüssel taumeln am schlanken Stile die süßduftigen, bienenum- 20 summten Kelche. Mit der steigenden Sonne tritt in der Wiesenblumenwelt immer merklicher die rote Färbung hervor. Zusehends versinkt das Grün unter der blendenden Decke der Farben, bis nun auch das Gras seine mattfarbigen Blüten zu treiben beginnt. Da schießt Halm an 2» Halm auf, luftig, leicht und immer schwankend. Uber dem sonnigen Plane, im lichtgetränkten Blau frohlockt die Lerche. Bienen summen, Grillen zirpen, Schmetterlinge gaukeln über den Blüten. Zu diesem fröhlichen Bilde stimmt der Bach, der sich in seinem weichen Lager so wohl fühlt und in hundert munteren Windungen 30 durchs Gras schnellt. An seinem Ufer träumt der Reiher, in den schattigen Erlen zwitschert der Zeisig, und im nahen Weidengebüsch lärmt der Schwarm der Feldsperlinge. Aber dem Dorfe zu, das, hinter Eichen und Erlen verborgen, nur mit dem Turme herüber¬ grüßt, klingt Blöken und Geläut der Herden und die Schalmei des 35 Hirten, aus dem Kornfelde lockt die Wachtel im Takt, und weiter drüben vom Waldsaume her ruft unaufhörlich der Kuckuck. Aber es kommen die Tage des Heuens. Ich brauche es nicht auszumalen, das Bild mit seinen klingenden Sensen, mit den sin¬ genden Grillen, mit dem Rauschen der Schwaden und dem süßen 40 Dufte, in den die Pflanze ihr Leben aushaucht. Sind die Sonnen- und Wonnentage der Mahd (Heuernte) vorbei, dann folgt der letzte Nachwuchs. Von neuem sproßt das Gras, doch die Blumen sind