Sage und Geschichte 265 Wilhelm übersandte am 13. April den Befehl, noch eine dritte Parallele anzulegen, weil bei der großen Entfernung der zweiten Parallele von den Schanzen die Stürmenden zu lange dem feindlichen Kanonenfeuer ausgesetzt sein würden. So näherte man sich denn in immer spitz¬ winkeliger angelegten Laufgräben den Schanzen noch bis auf etwa 300 Meter und warf dort die dritte Parallele auf. Am 18. April vormittags 10 Uhr sollte der Sturm ausgeführt werden. Die 46 Infanteriekompanien, aus denen die sechs Sturm¬ kolonnen gebildet wurden, bestimmte das Los. Im Gedanken an die Furchtbarkeit des bevorstehenden Kampfes nahmen die Mannschaften am Tage vorher das heilige Abendmahl. Am 18. April morgens 2 Uhr rückten sie in der Stille und Dunkelheit der Nacht in die dritte Parallele ein. Acht Stunden bangen und doch freudigen Erwartens hatten sie hier zu verbringen, und manch ernster Gedanke wird durch die Seelen der harrenden Krieger gezogen sein. »Kurze Zeit vor Beginn des Sturmes/ so erzählt ein Augenzeuge, »kam ein Feldgeistlicher zu unserer Sturmkolonne und stärkte uns durch eine kurze Ansprache. Liebe Kameraden, sprach er, in wenig Minuten wird der Augenblick da sein, in welchem euer ganzer Mut in Anspruch genommen werden wird. Ihr geht aber mit dem Bewußtsein in den Kampf, für eine gerechte Sache zu streiten. Vertrauet auf Gott und geht mit Gott! Verzaget nicht! Der Herr segne euch und gebe euch seinen himmlischen Frieden! Amen. Darauf beteten wir mit nassem Auge ein stilles Gebet, und dann rief der Prediger nochmals: Geht mit Gott! In diesem Augenblicke rief der hinter uns stehende Beob¬ achtungsposten der Haubitzbatterie, unter der wir uns befanden: Noch zwei Minuten! Eine Generalsalve erfolgte; dann schwieg das Geschütz¬ feuer, das von 4 Uhr morgens an unausgesetzt getobt hatte. Es war 10 Uhr. Eine lautlose, kurze Pause folgte; dann schlugen die Trommler den Sturmmarsch; die Regimentschöre bliesen Ich bin ein Preuße, und mit tausendstimmigem Hurra ging es auf die Schanzen los/ Voran ging jeder Sturmkolonne eine zum Ausschwärmen bestimmte Schützenkompanie; ihr folgten unmittelbar die Pioniere, die allerlei notwendige Werkzeuge, als Spaten, Hacken, Äxte, Brechstangen sowie auch Pulversäcke mit je 30 Pfund mit sich führten, und in einem Ab¬ stande von 100 Schritt folgte die eigentliche Sturmkolonne. Viele der Stürmenden sanken unter der feindlichen Kugelsaat; doch drangen die Massen unerschüttert vor, und nur wenige Minuten vergingen, da wehte das preußische Banner aus der Verbindung zwischen den feindlichen Werken Nr. II und III. Es war ein wirres Durcheinander, was das Ohr vernahm: Geknatter des Gewehrfeuers, preußische und dänische