— 130— siehe, da kam ein Schwälblein geflogen, das hatte einen langen Stroh⸗ halm im Schnabel und schleifte den der Länge nach durch die Luft uͤnd das Tor. Und da gingen den Wasungern die Augen auf, und sie meinten, wenn das Schwälblein den Strohhalm die Quere getragen hätte, würde es gleicherweise wie der Wagen mit dem Heubaum nicht hinein gelangt sein, banden daher den Baum der Länge nach und passierten freudiglich das Tor. Glücklich, wer der Natur ihre Geheim— nisse abzulauschen versteht! 2 2 Einst kehrte ein Fremder in ein Wirtshaus zu Wasungen ein, allda zu übernachten; der hatte viel gehört von den Wasunger Streichen, machte sich lustig beim Wirte und sagte spöttisch: „Ich möchte doch auch einmal einen Wasunger Streich sehen, könnt Ihr mir keinen machen, Herr Wirt?“ — „Ei, warum denn nicht,“ antwortete dieser, „das kann wohl geschehen, harret nur!“ Nach einer Weile wollte der Gast sich's bequem machen, rief den Wirt und sprach: „Die Stiefel sind mir zu schwer an den Füßen, wollt Ihr mir nicht ein Paar Pantoffeln dafür geben?“ — „Sehr wohl!“ sprach der Wirt. Der Fremde zog die Stiefel aus, der Wirt trug sie beiseite und schickte kurz darauf die Pantoffeln. Am andern Morgen, da der Gast weiterreisen wollte, begehrte er seine Stiefel; siehe, da brachte der Wirt ein Paar Schäfte, von denen die Schuhe abgeschnikten waren. „Was ist das? was soll das heißen?“ fragte der Gast, „wo sind die unteren Teile?“ — „Ei, die habt Ihr an den Füßen,“ antwortete der Wirt, „Ihr wolltet statt der Stiefel ein Paar Pantoffeln haben, da haben wir die Schäfte ab— geschnitten und aus dem übrigen Pantoffeln gemacht; die habt Ihr dun und den Wasunger Streich, den Ihr begehrtet, obenein · — Daran mußte der Fremde sich genügen lassen und soll seitdem keinen Wasunger Streich wieder verlangt häben. Ferdinand Bäßler. 101. Von den Schildbürgern. 1. Des Sehultheiben RKuh. Einmal gingen die Schildbürger, die gar ernstlich auf den allgemeinen Nutzen bedacht waren, hinaus, eine Mauer zu be- sehen, die noch von einem alten Bau übriggeblieben var, ob sis nicht die Steine mit Vorteil anwenden könnten. Nun war auf der Mauer schönes, langes Gras gewachsen, das dauerte dio