95 69. Der faule Jokel. Ein Herr hatte einen faulen Knecht, der hieß Jokel. Als der Hafer reif war, sagte der Herr: ‚Jokel, nimm flugs die Sichel, geh auf den Acker; und sobald du den Hafer abgeschnitten hast, kommst du wieder nach Hause.“ Der Jokel nahm die Sichel und ging bis vor den Haferacker; und als er sah, daß viel zu schneiden war, getraute er sich nicht daran, setzte sich unter einen Baum, gähnte und schlief ein. Als der Jokel gar nicht nach Hause kam, wurde es dem Herrn zu lange; und weil er keinen Menschen hatte, schickte er seinen Pudel hinaus, um den Jokel zu beißen, bis er den Hafer abgeschnitten hätte und nach Hause ginge. Aber der Pudel war so böse nicht. Da er den Jokel schlafen sah, dachte er: „Der macht es gescheit!“ legte sich zu dem Jokel und schlief auch ein. Nun war der Hafer nicht geschnitten, und der Jokel kam nicht nach Hause, und der Pudel auch nicht. Da ward der Herr noch verdrießlicher und sprach zu dem Prügel, der in der Ecke stand: „Prügel, beeile dich, lauf hinaus auf den Acker und prügele den Pudel, bis er den Jokel beißt, daß e den Hafer schneidet, und daß ihr alle drei nach Hause kommt.“ Der Prügel lief hin; weil er aber den Pudel schlafend fand, so dachte er, er könne ja warten, bis dieser aufwache, und er könne ihn dann immer noch genuͤg prügeln. So legte er sich zu den andern und schlief auch. Da aͤuch der Pruügel nicht nach Hause kam, riß dem Herrn endlich die Geduld. Voll Zorn machte er sich selbst auf und sah mit Erstaunen den Hafer noch stehen und seine drei Abgesandten daneben liegen und schlafen. „Jetzt will ich doch einmal sehen, ob ich den Jokel nicht auf die Beine bringe,“ sprach er, ergriff den Prügel und prügelte damit den Pudel, der Pudel fuhr aus dem Schlafe auf und biß den Jokel in die Beine, daß dieser au und weh schrie. Als er aber seinen Herrn erblickte, da fiel dem Jokel seine Arbeit ein. Hurtig nahm er die Sichel und machte sich an den Hafer; und ehe es Abend war, war der Acker leer, und der Jokel, der Pudel und der Prügel waren wieder zu Hause. Da sagte der Herr: „Ein andermal will ich es gleich so machen.“ Eurtugn 70. Hans im Glücke. 1. Für sieben Dienstjahre einen Goldklumpen. Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient. Da sprach er zu ihm: „Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gern wieder meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn!“ Der Herr antwortete: „Du hast mir treu und ehrlich gedient; wie der Dienst war, so soll der Lohn sein,“ und gab ihm ein Stück Gold, das so groß war wie Hansens Kopf. Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Goldklumpen hinein, setzte ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Haus. 2. Für den Goldklumpen ein Pferd. Wie er lin ging und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem munteren Pferde vorbei trabte. „Ach,“ sprach Hans ganz lauͤt, „was ist das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhle, stößt sich an keinen Stein, spart die Schuh und kommt fort, er weiß nicht wie.“ Der Reiter, der das gehört hatte, hielt an und rief: „Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß? —