Geschichte. 279 sich zu besinnen; wenn er dann noch ebenso trotzig ist, so laßt ihn ohne weiteres erschießen!“ Seine Hände wurden ihm auf den Rücken gebunden, und so führte man ihn den Abhang des Berges hinab. Drei Soldaten luden vor seinen Augen ihre Gewehre. Er wußte, was es bedeutete, und wandte sich ab. Eine halbe Stunde war ihm noch vergönnt, um sich zu besinnen. Er setzte sich schweigend nieder und richtete den Blick hinunter in das Thal und zu den fernen Bergeshöhen. Hier waren seine Söhne, dort sein Weib und seine Tochter. Ach, sie ahnten nicht, was ihn betroffen hatte, und was er in einer halben Stunde erleiden sollte! Dort stand sein kleines Haus. Die Fenster leuchteten so freundlich im Glanze der Morgensonne. Er sollte es nie wieder betreten und seines stillen Glückes sich freuen. Hier und dort herum waren die Berge und die Thäler seiner geliebten Heimat. Er kannte jede Stadt, jedes Dorf, jeden Wald, jeden Fluß. Auf diesen Fluren hatte er als Kind gespielt. Hier hatte er sein Leben unter Mühen und Arbeiten und doch glücklich und zufrieden geführt. Seine Heimat war so schön, so wunderschön! In wenigen Augenblicken sollte er von ihr scheiden und sie für immer verlassen. Seine Wangen waren bleich geworden. Eine Thräne war ihm in das ehrliche Auge getreten; er drängte sie zurück. Dann senkte er sein Haupt still zur Erde. Er konnte seine gebundenen Hände nicht falten; aber er konnte auch so zu seinem Gott und Heiland beten, vor dessen An— gesicht er in so kurzer Zeit treten sollte. Eine Minute nach der andern verging. Born betete still und inbrünstig, während seine Lippen sich nur unmerklich bewegten. Und das Gebet gab ihm neue , neuen Mut, Frieden und Freude. Eine stille, heitere Ruhe legte sich anf sein Angesicht und glänzte aus seinen Augen. Endlich war die be— stimmie Heit verflossen. Der Offizier trat zu dem Schäfer und fragte ihn, ob er jetzt den Weg zeigen wolle. Ein schweigendes Kopfschütteln war die einzige Antwort, die er auf diese Frage gab. Der Offizier sah ihn einen Augenblick teilnehmend und mitleidig und nicht ohne stille Bewunderung an. Dann gab er den Soldaten einen Wink, und sie nahmen ihre Ge— wehre zur Hand. Man verband dem Schäfer die Augen und stellte ihn an einen Baum. Noch einmal wiederholte der französische Offizier seine vorige Frage. Schweigend aber fest verneinend schüttelte Born das Haupt. Da ertönte das furchtbare Kommandowort „Feuer!“ Drei Blitze fuhren aus den Gewehren, drei Schüsse hallten an den gegenüberliegenden Bergen wieder, und ohne einen Laut sank der wackere Hirt zusammen. Die Soldaten ließen den Leichnam liegen und kehrten in das Lager zurück. Es war ja Krieg; was hatte da ein einzelnes Menschenleben zu bedeuten? Napoleon war sehr unwillig, daß man den Weg nicht entdecken konnte. Endlich meldete ihm ein Offizier, daß man einen andern Mann gefunden