304 aus welchem plötzlich abenteuerliche Thiergestalten hervorspringen, mit jenem ungeheuren Stamme, dessen Blüthenkrone, der Sonne frei aufge⸗ schlossen, Kreuz und Adler trügt, — wie ein Wald, dessen tausend Stämme unten an der Wurzel aneinander gewachsen sind; und treten wir in sein Inneres, so belebt das in Farben gesplitterte Licht jenes steinerne Volk von Engeln, Heiligen, Blutzeugen und Fürsten. Blicken wir zu den schlanken Schäften empor, die hoch oben dem Auge fast unkenntlich die Aeste ineinander schlingen, o wähnen wir uns in ein fernes Wunderland versetzt. Dazu prangt im Sonnenscheine das Dach im Farbenglanze seiner glasirten, bunten Hiegel.“ Der geeignetste Punkt, die ganze Kaiserstadt zu überblicken, ist die Spitze des Wienerberges im Süden der Stadt, vo eine Säule von alt⸗ deutscher, kunstreicher Arbeit steht, die sogenannte Spinnerin am Kreuze Von ihren Stufen aus bietet sich uns das reichste und schönste Rundge— mälde dar, welches derselbe Reisende in folgender Weise schildert: „Das Getümmel der Hunderttausende, welche die Straßen durchwimmeln, schallt nur gedämpft, wie das ferne Brausen des Meeres, an dein Ohr herauf Die zahllosen Bauten unter dir stehen an- und ineinander gedrängt wie ein Volk, das im Anschauen von Kampfspielen zu Stein wurde, und mitten daraus raget, wie ein unbezwungener Sieger in allen Kämpfen, ernst und stolz gen Himmel des Stephansdomes altersgrauer Riesen⸗ thurm. Neben ihm verschwinden die zahlreichen andern Thürme und Quppeln der Kaiserstadt. Wo eigentlich die Marken der Stadt beginnen, suchst du vergebens zu unterscheiden; denn alle Orte, nahe und ferne, mit ihren aus Gärten und Saaten und Rebhügeln auftauchenden rothen Dächern und zierlichen Thürmen scheinen nur neue Anbaue der Kaiser⸗ stadt. Kaum schmilzt der Schnee auf den Bergen, kaum beginnen die Wälder im frischen Grün zu praugen, so sind alle jene sanften Höhen, jene reizenden Thäler, die dich so anheimeln, von Colonieen lustiger Wiener bevöllert. Denn der Wiener liebt die Natur und versteht die Kunst, sie zu genießen. Doch inniger noch als die Natur liebt er sein Wien. Es ist ihm sein Höchstes, sein Stolz, seine steinerne Bibel mit tausend und abertausend heiligen Blättern, die er in der Ferne so wenig vergißt, wie der Alpenbewohner seine Gletscher und Firnen.“ UÜnter den vielen öffentlichen Vergnügungsorten, in denen wir das Wiener Leben in seiner Gemüthlichkeit und Ausgelassenheit zugleich beobachten können, zeichnen sich besonders zwei aus. Vor Allen bekannt ist der in r Nähe der Stadt auf einer ausgedehnten Donauinsel mit üp⸗ pigem wiesengrunde gelegene Lustgarten, Prater genannt, welcher, ab— wechsel.d Garten⸗ und Waldpartieen darbietend, fortwährend von den fröhlichen Wienern fleißig besucht wird, und in dessen langer, prachtvoller Hauptallee oft Tausende von Karossen mit geschmückten Herren und Da— men sich hin und her bewegen. Der eigentliche Tummelplatz des Volkes t der sogenannte Wurstlprater, wo unzählige Volksmassen in Kaffeen Bier⸗ und Weinhäusern, Kegelbahnen, Schaukeln, Caroussels und Pano⸗