1. Wie es vormals in Deutschland ausgesehen hat. 171 Urwald und die üppigen Waldwiesen; aber es wächst hier nicht viel mehr als Gerste und Hafer. — Drunten im Thale am Waldsaume und am fischreichen Bache liegt noch eine Hütte, von einem Hofe und Graben umgeben; drin im dunklen Walde auf der kleinen Wiese eine dritte, und so in größerer oder kleinerer Entfernung von einander noch viele andere. Selten finden wir einige Wohnungen nahe bei⸗ sanimen. 3. Im geräumigen Innern der Hütte ist nur wenig Hausrat. An der Wand entlang ziehen sich rohe Holzbänke, der kunstlose Tisch besteht aus einem Brett auf vier Pfählen. Ein weiches Bärenfell auf getrocknetem Laube in einer Ecke ist das Lager. An den Wänden hän— gen Speere und Netze, Pfeil und Bogen, Schild und Schwert, Trink⸗ hörner und weniges irdenes oder hölzernes Geschirr. In der Mitte aͤber des weiten Raumes steht ein gewaltiger Herd. Der ist das Hei— ligtum des Hauses; da wird gegessen, geruht und von Abenteuern erzählt; da betet der Hausherr als Hauspriester für die Seinen zu den Goͤllern. So einfach sah es in den Hütten der alten Deutschen aus. In einem gesonderten Gemach stand höchstens noch ein Webstuhl neben aufgehäuften Garn⸗ und Wollvorräten. Auf dem Hofe sah man wohl einen einfachen, zweirädrigen Karren, einen noch einfacheren Pflug und wenig anderes Hofgerät. 4. In den ärmlichen Wohnungen aber hauste ein urkräftiges Geschlecht. Da sah man Männer von hoher Gestalt, trotziger Haltung und großer Kraft. Es zierte sie hochgelbes Haar, weiße Haut, blaue, wild und feurig blickende Augen. Sie lebten mit ihrer Familie und ihren Knechten auf ihrem Gehöfte inmitten ihrer Feldmark. Nur wer ein solches festes Eigentum hatte, war vollfrei. Als Hausherr war er über Weib und Kind, über seine jüngeren, gutlosen Brüder und über die leibeigenen Knechte Vormund. Diese standen unter seinem Schutze; die Brüder durften jedoch wie der Hausherr Waffen führen. Wie drachte wohl solch ein freier Deutscher seine Tage zu? Er hat sich von seiner Bärenhaut erhoben und sein Habermus genossen, das aus gerösteten, zwischen Steinen zerriebenen Haferkörnern zubereitet war. Nun geht er nicht etwa an seine Arbeit, vielleicht aufs Feld oder zum Huͤten der Herde; er arbeitet auch nicht im Hause; nein, hinaus gehs in den Wald. Bekleidet war er mit einem linnenen oͤder wollenen Gewande, oder er hatte ein Tierfell umgehängt, das von einer Schnalle am Halse zusainmengehalten wurde. Im übrigen ging er nackt. So kämpfte er als ein wilder Jäger mit dem Auer⸗ ochsen, dem Bären und dem Wolfe; das war seine Lust. Oder er ging zur Gerichtsstätte, wo die Gutsbesitzer des Gaues zusammenkamen, um zu ratschlagen oder unter dem Vorsitze des Grafen übelthäter zu richten. Daran schloß sich oft ein fröhliches Trinkgelage und leiden⸗ schaftliches Würfelspiel. Am liebsten jedoch war es den freien Männern, benn's in den Krieg ging. Denn Krieg war ihre Lust, und oft lagen sie mit einander selbst im Streite. Sie waren aber ehrlich, treu und