— 119 — Uns gefiel der Alte und wir sagten, es wäre noch Platz unter dem Baume, er möge nur herkommen und sich ebenfalls ein wenig in den Schatten legen, wir täten ihm nichts. Darauf machte er eine abwehrende Bewegung und erwiderte: „Das darf unsereiner sich nicht erlauben. Der Schatten ist nur für die Herrschaften und ich muß eilends weiter; denn meine liebe arme Frau Geiß wartet auf mich.“ „Die Geiß — dafür ist doch die Frau da,“ bemerkte einer von uns. Er ließ das Paket zu Boden gleiten und trat näher, die Freude wich von seinem Angesichte und seine Augen wurden feucht. „WVenn ich nun heimkomme,“ hob er ganz unvermittelt an, „da bin ich einsam und verlassen. Ein liebes, gutes Weib habe ich gehabt ... das ist gestorben!“ Er wandte das Gesicht ein wenig und fuhr fort: „Kinder habe ich gehabt ... tot bis auf eins!“ Er schluckte etwas hinunter und setzte sich auf einen Stein. „Viele Jahre lebe ich nun schon so allein für mich hin auf der Welt, koche mir mein Supplein selbst, kehre mein Stübchen selbst, füttere meine Geiß selbst, melke sie selbst und muß doch so viel Zeit übrig behalten, daß ich die Leute meines Dorfes mit dem nötigen Schuhwerk ver⸗ sehen kann; ist doch kein Fuß in Hübichsdorf, dem ich nicht das Maß nehmen müßte. Das einzige Kind, das mir der liebe Gott am Leben erhalten hat, ist ein Junge. Unser Herr Lehrer wollte mit Gewalt auch einen Lehrer aus ihm machen, weil er alles verstünde und alles gleich weg hätte, immer folgsam und bescheiden und dabei doch frisch und fröhlich wäre. Aber dazu langte es leider nicht; denn die Schuhe sind billig und das Leder ist teuer. Ja, hätte einer nur so ein Heckemännchen im Keller gehabt!“ Er lächelte fein und schaltete ein: „Könnte Ihnen in Hübichsdorf Bauern nennen, die bloß vom Heckemännchen so reich geworden sind, das im Keller sitzt und alle Tage 'n blanken preußischen Taler aus— bringt. Ja, glauben Sie's nur! Andere sind durch den Zwerg⸗ könig Hübich zu ihrem Wohlstande gekommen. — — Ach Gott, vom bloßen Knuffen auf dem Schusterschemel wird heute kein Mensch mehr reich und ich habe manchmal, ging ich dort oben so allein durch den Wald, gedacht und gewünscht: Jetzt müßte Hübich dir begegnen und deine Taschen mit silbernen Tannenzapfen füllen. Ei auchl Nicht, daß ich reich werden wollte, sondern bloß, daß der Junge hätte können Lehrer werden. Aber seitdem die ver— ruchten Franzosen den Hübichstein zerschossen haben, ist der Zwerg—