82 Prosa. —Recensionen. Recensent aber weiß nicht, ob eine gedruckte zu erlauben sei. Alle Kinderbücher sollen nur Elternbücher sein; bloß der Umriß des Wortes werde den Eltern darin gegeben, den fie, nach Verhältnis des Alters und Werths, auszufärben haben; für jedes Kind gehört eine andere Weitläufigkeit, wie für das jüngste die größte. Je älter, je weniger Worte. Es gilt im allgemeinen; Cicero sprach je älter, je gedrungener; die Sprachkürze steht in umgekehrtem Verhältnis mit der welthistorischen Zeitenlänge, und Methusalem konnte längere Perioden machen, so wie erleben, als wir. Da die wachsenden Jahrhunderte unsere Sinnenwelt so verflüchtigen und gläsern blasen, daß wir vor lauter poelischen Blumen kaum die botanischen darunter mehr sehen: so sollte diese Leichtigkeit, Geister aus Körpern zu ziehen, scheu und strenge in der Wahl parabelhafter Erfindungen machen und z. B. solchen, wie II. S. 122, wo Wahrheit als rechter Weg und Irrthum als Irr⸗ licht symbolisiert wird, keinen Zugang gestatten, noch weniger solche ein— i eingeschraubten Anwendungen (1I, 49. I, 77.) oder gar mit irrigen 174). Zuweilen stellt unser Verf. den Geist bloß ohne Leib und Baurede dar, eine Empfindung z. B. der Reue. Er thue dies öfter! Der Sittenlehrsprüche giebt es in unsexer alten Zeit schwerlich mehr neue; aber jede Empfindung und Anschauung ist eine Neugeburt, und die Lehren müssen erst in diese ziehen, um ihr Alter und Vermögen zu verjüngen. — Komme der würdige Verf. bald wieder, aber mit recht vieler Selberähnlichkeit und Unähnlichkeit! Doch sei die Unähnlichkeit der kleinste Theil! V. Aphorismen. 124. F. M. v. Klinger: Aphorismen. a. Der Arme sagt seufzend: Dey Reiche kann alles! — Antworte dem Armen: Nur nicht glücklich sein! b. Wer für das Herz und den Geist seiner Schüler und Zöglinge das ausfindet, was sie tragen, fassen und wirklich durchsetzen Bnnen, der arbeitet nicht allein der Natur und der moralischen Welt gemäß, er arbeitet auch für das wahre Glück der armen ihm Anvertrauten, die in diesen zarten Jahren gar nicht ahnen, in welcher gefährlichen Lage sie sich befinden, wie hier schon das Schicksal den Knäuel, den sie einst abwickeln sollen, entweder in Ord— nung aufrollt oder ohne alle Aufmerksamkeit unter einander zerrt. Weh' dem, der hier die zerxissenen Fäden einst heraussuchen muß! c. Ein jeder kann sich sehr leicht das Maß seiner moralischen Vollkommen— heit gradweise aufstellen. Er braucht nur bei seinen Handlungen und den Beweggründen dazu aufzumerken, wie viel und was er um edler Zwecke und um anderer willen, nicht um seinetwillen thut. d. Der Weise predigt dem Menschen von der Zeit an, da es Weise und Thoren gab: Kenne dich selbst! Bei dem die Weisheit nun vorausgegangen ist, der hat jenen Zuruf schon befolgt, befolgt ihn noch. Die Ursache aber, warum er auf so viele nicht wirkt, moͤchte wohl die sein, daß sich so gar viele bewußt sind, sfie könnten keine schlechtere Bekanntschaft machen, als die mit ihrem eigenen inneren Selbst. e. Gehorchen ist leichter, als befehlen; beim Gehorchen schieben wir uns selbst fort, beim Befehlen müssen wir andere fortschieben. Wenn man sich selbst 385—