Poesie. — Das Märchen. Mädchen dachte: es ist dunkle Nacht, da kannst du wohl dein Hemd weggeben und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hat fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thalen und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an vom alltn feinsten Linnen. Da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich füt sein Lebtag. 168. J. u. W. Grimm: Rothküppchen. Es war einmal ein kleines liebes Mädchen, die hatte jedermann gern, sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, wll sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen vn rothem Sammet, und weil ihm das so wohl stand, und es nichts anderes tragen wollte, hieß es nur das Rothkäppchen. Da sagte einmal seine M zu ihm: „Komm, Rothkäppchen! Da hast du ein Stück Kuchen und eine glash Wein, die bring' der Großmutter hinaus: weil sie krank und schwach ist, wird s sich daran laben; sei aber hübsch artig und grüß sie von mir, geh auch odenn und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, dann h die arme Großmutter nichts.“ — Rothkäppchen sagte: „Ja, ich will alles recht ausrichten,“ und versprach's der Mutter in die Hand. Die Großmutter abe wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Hothlapp in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf; Rothkäppchen aber wußte nicht, un es für ein böses Thier war, und fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rol käppchen!“ sprach er. — „Schönen Dank, Wolf!“ — „Vo willst du so fu hinaus, Rothkäppchen?“ — „Zur Großmutter.“ — „Was trägst du unter Schürze?“ — „Kuchen und Wein für die kranke und schwache Großmutter; gesten haben wir gebacken, da soll sie sich stärken.“ — „Rothkäppchen! Wo wohnt vn Großmutter — „Noch eine gute Viertelstunde im Wald, unter den drei groe Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wisn sagte. Rothkäppchen. Der Wolf dachte bei sich: das junge, zarte Mädchen, das uier feller Vissen fur dich, vie sangü du es ann daß du hn iegte gieng er ein Weilchen neben Rothkäppchen her, dann sprach er: Rothlary sleh einmal die schönen Blumen, die im Walde stehen. Warum guceest du m um dich? ich glaube, du hörst gar nicht darauf, wie die Vöglein so lehl⸗ singen; du gehst ja für dich hin, als wie zur Schule, und ist so lustig haußen dem Wald.“ — Rothkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie Sonne durch die Bäume hin und her sprang, und alles voll schöner Blumen son dachte es: Ei! wenn ich der Großmutter einen Strauß mitbringe, der wird h auch lieb sein; es ist noch früh, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme, sprang in den Wald und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hi meint es, dort stünde noch eine schönere, und lief darnach und lief immer we in den Wald hinein. Der Wolf aber gieng geradewegs nach dem Haus der mutter und klopfte an die Thüre. — „Wer ist draußen?“ — „Das Nothlapyh ich bringe dir Kuchen und Wein, mache mir auf!“ — „Drück nur anf Klinke!“ rief die Großmutter, „ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.“ n Wolf drückte an die Klinke, und er trat hinein, ohne ein Wort zu sprechen, gun an das Bett der Großmutter und verschlucte sie. Dann nahm er ihre glen that sie an, setzte sich ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die hänge vor. ziel Rothkäppchen aber war herumgelaufen nach Blumen, und als es so p hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, un 288