Solchem Zustande wünschten die deutschen Fürsten ein Ende gesetzt; in Rudolf glaubte man gerade den Mann zu erkennen, dessen das Reich bedürfe, und man hatte sich nicht geirrt. Man erwählte ihn zum deutschen Kaiser Rudon wurde der Wohlthäter seines Volkes. Er war's, welcher Ht des Faustrechts ein Ende machte und in einem Monat . un sechzig Raubschlösser zerstörte, deren Überbleibsel ihr wohl selb' on auf euren Vergen gesehen habt. Ein zu Budols Zeit lebender Geschichtsschreiber rühmt von ihm: „Er verbreitet Furch und Schrecken über die ungerechten Großen und Freude unter dom Volk. Der Landmann nimmt wieder den Pflug zur Hand. der lang iit ungenützt im Winkel laag. Der Kaufmann, der aus Aurcht vor Räubern zu Hause blieb, durchreist jetzt das Land mit größter 5cherheit, und die Räuber und Bösewichte, die vorher ungescheut herum wärmten. suchen sich in wüsten Gegenden zu verbergen.“ Rudolf hlt so shr auf Treue und Manneswort, daß es sprichwörtlich geworden ist, und man von einem, der sein Wort brach, noch lange zu sagen pfleg“?: „er hat Rudolfs Redlichkeit nicht.“ Rudolf war auch ein Freund von gutmütigem Scherz, und mancher possierliche Vorfall wird uns aus seinem Leben erzählt. Einst fuhr Rudolf auf einer nicht sehr breiten Heerstraße. Ein drolliger BVauer auf einem Karren begegnete ihm. Diesem befahl des Kaisers Kutscher auszuweichen. Der Bauer, der sich nach seiner Art mit dem Kutscher ein Späßchen machen wollte, brummte ihm halblaut zu: „Wo sell ich denn hin? Des Kaisers lange Nase nimmt ja die gan?* Straße ein.“ — „Was sagt der Kerl?“ fragte Rudolf. Es mußte ihm wieder gesagt werden. Alle Begleiter waren begierig, was dem Vauer geschehen würde, der nun selbst in Todesängsten war; aber Rudolf legte ernsthaft den Zeigefinger an seine wirklich große Nase, schob se weit herum und fragte den Bauer mit abgewendetem Gesichte: „Hast du nun Platz?“ Drei Jahre vor seinem Tode lag er einmal in einem Feldlager vor Mainz, als eine wliche Kälte eintrat, die dem alten siebenzigjährigen Manne sehr em indlich war. Er geht ganz allein in die Stadt und sieß“ in einem Bäckerhause einen Haufen glühender Kohlen, die der Bäcker eben aus dem Ofen gezogen hatte. In der Absicht, sich daran zu erwärmen, tritt er treuherzig ein; aber die Bäckerfrau fährt ihn mit harten Worten an und will ihn hinausjagen. Denn an seiner Kleidung war er selten kenntlich, weil er's nicht verschmähte, auch wohl ein geflickess Wams zu tragen, wie er sich denn im Felde seinen grauen Rock selber zu flicken pflegte. „Seid nicht zornig, liebe Frau,“ bat er gutmütig, „ich bin ein guter, alter Landsknecht, hab nit viel und muß Deutsches Lesebuch. B. II. 7. Aufl. 385