Am deutschen Rheinstrom. 165 2———— tönt uns der hundertstimmige Gesang der Winzerinnen und Winzer entgegen. Auf der ganzen Straße, die wir in der Richtung nach den Weinbergen be— rühren, herrscht reges Leben. Mostwagen und Winzer mit Kannen und Bütten ziehen hin und her. Wir treten in den Weinberg. Eine Gruppe fröhlicher Mädchen, Frauen und Kinder, die in der Lese rüstig Hand an— legen, empfängt uns. Ein Blick hinunter auf den herrlichen Strom mit seinen lachenden Ortschaften, ein Blick auf die frischen, heitern Gesichter, und unsre Stimmung giebt der der Winzerinnen nichts nach. Vor uns, auf sanft anstrebendem Hügel, in fast peinlicher Ordnung und in gleichmäßiger Entfernung voneinander stehen die Weinstöcke, schon halb der rauhen Witterung ihren Tribut zollend, zum Teil haben sie das Saft— grün ihres Blätterschmuckes mit einem satten Gelb vertauscht. Über die Weingärten hinaus ragt der zinnengeschmückte Bergfried eines mittelalter— lichen Burgrestes. Eine der Winzerinnen kommt uns entgegen und reinigt uns mit Weinblättern die Stiefel, eine Sitte, die sich in den rheinischen Weinbergen jeder Eindringling gefallen lassen muß; eine klingende Gabe scheucht sie wieder hinweg, und fröhliches Gelächter aller Winzerinnen bekommen wir in den Kauf. Von dem JZubel der Neckenden begleitet, wandern wir hin und her auf dem Berge, hie und da zwar in Gefahr, unsre Fußbekleidung im erweichten Boden zu verlieren, aber heiter angeregt durch die wechselnden Vorträge von Liedern, in denen der Rhein und das rheinische Leben anmutig besungen werden. Die freudige Stimmung während des Geschäfts der Lese herrscht überall. Aus der Nachbarschaft kommen Weinbergsbesitzer, kosten und prüfen Trauben und Most. An den fahrbaren Wegen stehen große Bottiche, in die der In— halt der sogenannten Legel entleert wird. Dies sind unten spitz zu— laufende, oben breitere Holzbütten, die an zwei festen Lederriemen auf dem Rücken getragen werden und neunzig bis hundert Pfund Trauben fassen. Je nach der Ortlichkeit werden diese schweren Lasten auch häufig bis hin— unter ins Kelterhaus geschleppt. Vorher bearbeitet der Träger mit zwei Mostkolben im Legel selbst die ganze Traubenmasse. Es bildet sich eine braungelbe und dunkelrote, nichts weniger als klare Brühe, die dann in die Bottiche geschüttet wird. An einzelnen Stellen werden die Trauben auch, statt in den Legeln bearbeitet zu werden, in einem großen Bottich von Winzern mit hüfthohen Stiefeln getreten und geknetet. Da die Mostbrühe nicht lange in den Bütten mit den Trauben zusammenstehen darf, sondern sofort vollständig bearbeitet sein will, so geschieht das Geschäft des eigent— lichen Kelterns häufig des Nachts. Die schweren Balken der Kelter treiben den Rebensaft bis auf den letzten Rest aus den Beeren heraus. Einladend sieht der junge Most, der nun in den Keller in große Fässer gebracht