2568 — die ungeheuren, schilfartigen Bambusgebũsche und andere Dicekungen sind seine Lieblingsplätze. Allen übrigen Orten soll er den Schatten unter einem huschigen Strauche, Korintha genannt, vorziehen, weil dessen Krone so dicht ist, dass sich kaum ein Sonnenstrahl zwischen den Zweigen hin- durehstehlen kann. Diese Liebhaberei des Tigers für die Korintha ist so bekannt, dass bei den Jagden die Treiber stets zuerst ihr Augenmerk auf jene Büsche richten. Hier verbirgt er sieh, um zu ruhen, und von hier aus schleicht er an seine Beute heran, bis er s50 nahe gekommen ist, dals er sie mit wenigen Sätzen erreichen kann. Er hat alle Sitten und Ge wohnheiten der Katzen. Seine Bewegungen sind anmutig und dabei un- gemein rasch, gewandt und zugleich ausdauernd. Er sehleicht unhörbar dahin, versteht gewaltige Sütze zu machen, klettert trotz seiner Grölse rasch und geschickt an Bäumen empor, sehwimmt meisterhaft schnurgerade über breite Ströme und zeigt dabei immer bewunderungswürdige Sicher- heit in der Ausführung jeder einzelnen Bewegung. Er ist kein eigentliches Nachttier, sondern streift, wie die meisten Katzen, zu jeder Pageszoeit umher, wenn er auch den Stunden vor und nach Sonnenuntergang den Vorzug giebt. An Tränkplätzen, Landstrassen, Dorfwegen, Waldpfaden und dergleichen legt er sicn auf die Lauer, am allerliebsten in dem Gebüseh an den Flussufern. Denn hier kommen die Tiere entweder zur Trũnke, oder die Menschen steigen herab, um ihre frommen Übungen und Waschungen vorzunehmen. Von den Bũssern, welehe zeitweilig an den heiligen Strömen leben, werden viele duren dis Tiger getötet. Ligentlich ist bein Tier vor dem entsetzlichen Räuber sicher. Er greift selbst den jungen Elefanten und das junge Nashorn an, wenn er sich auch an die alten Tiere nieht wagt und einem ausge- wachsenen PElefanten unterliegen muss. Sämtliche Sãugetiere, vielleicht mit Ausnahme der anderen Raubtiere und de übrigen Katzenarten, fallen ihm zur Beute. Er stürzt sich ebensowonl auf die stärksten wie auf die schwächsten. Aulserdem holt er sich auen aus der Klasse der Vögel, ja selbst aus der Klasse der Amphibien hie und da eine Beute. Iin denselben Dickungen, in welchen er sich aufhält, wohnen auch viele Huühnerarten, namentlich die Pfa uen. Gerade sie haben e sehr häufig mit den Tigern zu thun und kennen ihn deshalb genau. Sie werden auch gewöhnlich zum Verrãter des still dahinschleichenden Raubtiers, indem sie entweder ge· rãuschvoll auffliegen und Schutz vor ihm suchen, oder, wenn sie bereits sicher auf dem Baume sitzen, ihre weittönende Stimme ausstossen, den übrigen Geschöpfen gleichsam zur Warnung. Auch die Affen verleiden ihm oft seine Jagd. Der Tiger belauert und beschleicht schlangenartig seine Beute, stũrzt dann pfeilschnell mit wenigen Sätzen auf dieselbe los und schlägt die Krallen mit solcher Kraft in den Nachen ein, dass auch das stärkste Tier sofort zu Boden stürzt. Die Wunden, welche er sehlägt, sind immer aulser⸗ ordentlich gefährlich. Nicht bloss die Nägel, sondern auch die Zehben dringen bei dem fürchterlichen Schlage ein, so dass die Vunden uwelen über 12 Centimeter tief sind. Selbet wen die Verwundung eine verhält- nismãssig leichte ist, geht das Opfer gewöhnlieh zu Grunde. Es ist ja be· kannt, dass alle Wunden, welcle gerissen werden, ungleieh gefahrvoller sind als solehe, die durch ein scharfschneidiges Werkzeug hervorgebracht worden sind. 24