152 korb so hoch gehängt, daß sie ihn nicht herunterreißen können, und um die Brocken mögen sie sich seinethalben so viel schlagen, als sie Lust haben. Wenn sie es zu arg machen, weiß er wohl, was er zu thun hat. So meint Ihr, liebe Frau, Gott sehe nicht in die Stube, sondern lasse 5 die Kinder kramen und beruhige sich damit, daß sie ihm nichts verderben können? — Jal! das meine ich, erwiderte sie schnell, und ich sehe nicht, warum ich es anders halten sollte. Könnten wir ihm wohl etwas von seinem großen Werke verderben? Und kann er uns nicht nach unserm Willen laufen lassen, bis wir zu ihm schreien? oder bis er es der Mühe wert hält, Holla zu rufen? — 2. Ich kam neulich in die Hütte eines Landmanns, dem die vorige Nacht das Wasser seine vier lehmernen Wände ausgespület und alles verdorben hatte. Lieber Freund! sagte ich zu ihm, wie könnt Ihr hier, wo Ihr beinahe auf eine Stunde Wegs keinen Nachbar und keine Hilfe habt, wo Ihr allen vier Elementen zum baren Raube offen liegt, wo Diebe und Mörder und alles, was einen armen, hilflosen Menschen überfallen kann, eine fast unumschränkte Gewalt über Euch haben; wie könnt Ihr hier mit Eurer Frau und Euren kleinen Kindern, die Ihr noch nicht weit schicken könnt, mit Ruhe schlafen? Wenn einem von Euch in der Nacht etwas zustieße, so müßtet Ihr Euch ja schlechterdings auf Gottes Barmherzigkeit verlassen. Ich kann wohl sehen, antwortete mir der Mann, daß Sie aus der Stadt sind, wo die Kinder nicht schlafen können, wenn die Magd nicht bei der Wiege sitzt. Hier auf dem Lande sind wir ganz anders gewöhnt. Sobald wir des Abends unser Gebet gethan haben, so sind wir in Gottes Gewalt; und nun mag es regnen und schneien, stürmen und wehen, so können alle vier Elemente uns wohl aus dem Bett bringen, wie es auch das Wasser noch vorige Nacht gethan hat; aber sonst denken wir: Was Gott will, das geschehe! und damit schlafen wir ruhiger ein, als wenn alle Wächter aus der Stadt uns die Ohren voll bliesen. Wer dem lieben Gott vertraut, dem steht er in allen seinen Nöten wunderbarlich bei. — Der Bürger zwischen seinen hohen Mauern mag sich 30 vor Dieben fürchten, mir ist es noch nicht eingefallen; und wie mir in den teuren Jahren mein Backofen erbrochen wurde, so bat ich Gott, daß er mich nicht in die Not setzten möchte, ein gleiches zu thun. Ich verließ den Mann, um ihn von der Ausbesserung seiner Hütte nicht länger abzuhalten, machte aber doch die natürliche Anmerkung, daß die Religion 35 auf dem Lande weit stärker sei, als in den Städten, und sagte zu mir selbst: wie wollten dergleichen Leute fertig werden, wenn sie nicht einen so starken Glauben hätten? Dieses führte mich endlich auf den Schluß, daß, wenn auch die sogenannte feinere Welt alle Religionen aus der Welt wegdisputierte, die Bedürfnisse des Landmanns sie immer wieder zurückrufen würden; die Not 40 würde überall und allemal wieder beten lehren. 101. Der Liebe Dauer. SGreiligrath) O lieb, so lang du lieben kannst! O lieb, so lang du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, wo du an Gräbern stehst und klagst. Und sorge, daß dein Herze glüht und Liebe hegt und Liebe trägt, so lang ihm noch ein ander Herz in Liebe warm entgegenschlägt!