— — 2. Am 10. März 1794 feierte Luise ihren ersten Geburtstag in Berlin. König Friedrich Wilhelm IL., der seine Schwiegertochter sehr lieb hatte und hochhielt, schenkte ihr das Lustschloß in Oranienburg. Fried— rich Wilhelm und Luise fühlten sich indes in Oranienburg doch nicht recht behaglich. Das Schloß war ihnen zu groß, die Umgebung zu ge— räuschvoll. Cie sehnten sich nach einem schlichtern Landsitze, nach einer stillern Häuslichkeit. Darum kaufte der Kronprinz das Landgut Paretz an der Havel bei Potsdam. Er ließ das alte Wohnhaus des Gutsherrn niederreißen und baute sich selbst ein neues, ganz einfaches Haus. Hier verlebte er den Sommer mit seiner Gemahlin und seinen Kindern und nannte sich oft scherzend den „Schulzen von Paretz“, wie Luise sich „die gnädige Frau von Paretz“ nannte. 3. Auch als Friedrich Wilhelm 1797 König geworden war, bezog er mit seiner Gemahlin nicht das stattliche Königliche Schloß in Berlin. Sie begnügten sich mit dem prunklosen Palast, der bisher die Stätte ihres häuslichen Glückes gewesen war. Friedrich Wilhelm sagte: „Mein Groß— onkel (Friedrich der Große) sprach: Ein tüchtiger Schatz ist die Stütze und Grundlage des preußischen Staates. Nun haben wir aber nichts als Schulden. Ich will so sparsam sein, als es möglich ist. Der König wird mit den Einkünften des Kronprinzen auskommen müssen.“ Er und Luise blieben schlicht und einfach in ihrer Lebensweise. Als der Kammer— diener vor dem neuen Könige beide Flügeltüren aufriß, da fragte dieser: „Bin ich denn jetzt so dick geworden, daß eine Tür für mich zu enge ist?“ Als der Küchenmeister zwei Gerichte mehr auf den Tisch brachte, weil der Kronprinz nun König wäre, da sagte dieser: „Man glaubt wohl gar, ich habe seit gestern einen größern Magen bekommen.“ 4. Nach wie vor gingen Friedrich Wilhelm und Luise in Berlin oft Arm in Arm unter den Linden und im Tiergarten spazieren ohne alles Gefolge; nur das Volk drängte sich jauchzend um das junge Königspaar. Den Berliner Weihnachtsmarkt besuchten beide Majestäten mit ihren Kindern; sie kauften Spielzeug und Pfefferkuchen und beschenkten Kinder oder Mütter, die für ihre Kinder einkauften. Während der König mehr zurückhaltend und wortkarg blieb, war Luise freundlich und liebreich gegen jedermann. Oft hob sie Kinder, die am Wege spielten, liebevoll zu sich empor und herzte sie. Sie neigte sich zu dem Bettler und zu dem alten Mütterchen am Wege, und wo eine Gabe nicht nötig war, da hatte sie für jeden ein freundliches Wort. Einst lief ihr im Schloßgarten zu Charlottenburg ein Knabe aus Berlin beim Pferdspielen in die Hände, weil er sie nicht gesehen hatte. Die Hofdame, die die Königin begleitete, wollte ihn tüchtig ausschelten; aber die Königin unterbrach sie mit den Worten: „Lassen Sie nur. Ein Knabe muß wild sein.“ Und zu dem Kleinen sagte sie: „Renne nur, mein Söhnchen, aber falle nicht, und be— stelle einen schönen Gruß von mir an deine Eltern.“ In welcher Liebe