— 180 — vergehen in bangem Erwarten. Die bis zum Tode erschöpfte Mannschaft der „Undine“ kann das Tauwerk nicht entwirren. Da — eine halbe Stunde nach Mitternacht — gelingt es dem Leutnant 3. S. Janke mit Aufbietung der letzten Kräste, die Leine klar zu machen. Nun wird durch eine Laterne ein Zeichen nach dem Lande gegeben, daß das Rettungswerk seinen Fortgang nehmen kann. Die Mannschaft faßt neuen Mut. Bald ist der Steertblock hinübergeholt An dem Läufer wird nun auch das dicke Rettungstau an Bord gezogen und über der Rolle am Mast befestigt. Schnell ist auch die Hosenboje herübergezogen, das ist ein Rettungsgürtel mit einer daran befindlichen Hose, in welche die Schiffbrüchigen hinein— steigen müssen. Um eineinhalb Uhr wird der erste Mann an Land ge— bracht. Es ist ein Marineleutnant. Bald folgen andere Leute der Be— satzung mit ihren Waffen nach. Um siebeneinhalb Uhr morgens ist die ganze Mannschaft gerettet. Außer einem Matrosen, der bei dem Versuch, den Mast zu kappen, über Bord gespült wurde, war niemand umgekommen. Es ist hier die einzig dastehende Tat vollbracht, daß in dunkler Nacht bei heftigem Sturm 150 Mann an fremder Küste gerettet wurden von einer Rettungsmannschaft, die 14 Stunden lang, zum Teil bis zum Leib im Wasser hatte ausharren müssen. 3. Aber nicht immer läßt sich mit Hilfe des hier angewandten Rakelen⸗ apparats die Rettung bewirken, nämlich dann nicht, wenn das gestrandete Schiff mehr als 400 m vom Ufer entfernt liegt. Es muß dann versucht werden, mit dem Rettungsboot an das Schiff heranzukommen. Darum sind die meisten Rettungsstationen mit einem solchen Boote ausgerüstet, das durch Luftkasten und Korkgürtel so tragfähig gemacht ist, daß es über⸗ haupt nicht untergehen kann. Die Hauptgefahr für die Mannschaft besteht darin, daß das Boot von dem unruhigen Wasser am Rumpf des gestrandeten Schiffes zerschlagen oder von den Grundseen der Brandung umgeworfen werden kann. Die Mannschaft darf also bei zu schwerem Wetter über— haupt nicht hinausfahren, hat aber, falls sie sich doch bei Sturm hinaus— wagt, stets darauf zu achten, daß sie nicht dem Schiff zu nahe kommt. Die Schiffbrüchigen müssen darum in einem günstigen Augenblick ins Boot springen oder an ihnen zugeworfenen Stricken, nachdem sie über Bord in die Flut gesprungen sind, sich ins Boot ziehen lassen. 4. über die Rettung von Schiffbrüchigen durch ein Rettungsboot be— richtet der Vormann der Rettungsstation „Staatsdampfer Neuwerk“ nach schlichter Seemannsart folgendermaßen: „Am 12. Januar 1902, morgens . Uhr, dampfte der Staatsdampfer ‚Neuwerk, Kapitän W. Olmann, vom Cuxhavener Hafen aus elbabwärts. Bei Elbtonne A gewahrte man in etwa 5 Seemeilen Entfernung zwei Masten und einen Schornstein, und bald konnte man mit Hilfe eines Fernglases einen gesunkenen Dampfer mit Notflagge im Vortopp erkennen. Es wurde sofort beschlossen, dem Schiffe Hilfe zu bringen. Das Rettungsboot wurde zu Wasser gebracht und vom Dampfer , Neuwerk so weit geschleppt, daß es den gesunkenen