— 4 — der sein letztes Pferd unter Vorspann und Fuhren tot trieb; Krieg! der Bürger, den die Einquartierungen und Abgaben erschöpften; Krieg! der Tagelöhner, der keine Arbeit finden konnte; Krieg! die Witwe, die ihren einzigen Sohn ins Feld schickte; Krieg! die Braut, die den Bräutigam zugleich mit Tränen des Stolzes und des Schmerzes entließ. Jünglinge, die kaum wehrhaft waren, Männer mit grauen Haaren und wankenden Knien, Offiziere, die wegen Wunden und Verstümmelungen lange ehren— voll entlassen waren, reiche Gutsbesitzer und Beamte, Väter zahlreicher Familien und Verwalter weitläufiger Geschäfte, in Hinsicht jedes Kriegs— dienstes entschuldigt, wollten sich selbst nicht entschuldigen, ja sogar Jung⸗ frauen drängten sich unter mancherlei Verstellungen und Verlarvungen zu den Waffen. Alle wollten sich üben, rüsten und für das Vaterland streiten und sterben. Jede Stadt, jeder Flecken, jedes Dorf schallte von Kriegslust und Kriegsmusik und war in einen UÜbungs- und Waffenplatz verwandelt; jede Feueresse ward eine Waffenschmiede. Das war das Schönste bei diesem heiligen Eifer und fröhlichen Gewimmel, daß alle Unterschiede von Ständen und Klassen, von Ältenn und Stufen vergessen und aufgehoben waren, daß jeder sich demütigte und hingab zu dem Geschäft und Dienst, wo er der Brauchbarste war; daß das eine große Gefühl des Vaterlands und seiner Freiheit und Ehre alle andern Gefühle verschlang, alle andern sonft erlaubten Rücksichten und löblichen Ver— hältnisse auffhob. Die Menschen fühlten es, sie waren gleich geworden durch das lange Unglück; sie wollten auch gleich sein im Dienst und im Gehorsam. Und so sehr erhob die heilige Pflicht und das gemeinsame Streben, wovon sie beseelt waren, alle Herzen, daß das Niedrige, Gemeine und Wilde, dem in getümmelvollen Zeuen der Bewaffnungen und Kriege eine so weite Bahn geöffnet ist, nicht aufkommen konnte. Die heilige Begeisterung dieser unvergeßlichen Tage ist durch keine Ausschweifung und Wildheit entweiht worden; es war, als fühle auch der Kleinste, daß er ein Spiegel der Sittlichkeit, Bescheidenheit und Rechtlichkeit sein müsse, wenn er den Übermut, die Unzucht und Prahlerei besiegen wollte, die er an den Franzosen so sehr verabscheut hatte. Was die Männer so unmittelbar unter den Waffen und für die Waffen taten, das tat das zartere Geschlecht der Frauen durch stille Gebete und fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und Mühen für die Ausziehenden, Kranken und Verwundeten. Wer kaun die unzähligen Opfer und Gaben dieses großen Sommers zählen, die zum Teil unter den rührendsten Umständen dargebracht sind? Wer kann die dem Vater lande ewig teuren Namen der Frauen und Jungfrauen aufrechnen, welche in einzelnen Wohnungen oder in Krankenhäusern die Nackenden gekleidet, die Hungrigen gespeist, die Kranken gepflegt und die Verwundeten ver— bunden haben? So geschah es denn von dem einen Ende des Reiches bis zum andern. Ich sage nur das eine: Es war plötzlich wie durch ein Wunder Gottes ein 36