60 ■ Zwei Zinken ragen ins Blaue der Luft, Hoch über der Menschen Geschlechter, Drauf tanzen, umschleiert mit goldenem Duft, Die Wolken, die himmlischen Töchter. Sie halten dort oben den einsamen Reih'n, Da stellt sich kein Zeuge, kein irdischer, ein. Es sitzt die Königin hoch und klar Auf unvergänglichem Throne, Die Stirn umkränzt sie sich wunderbar Mit diamantener Krone; Darauf schießt die Sonne die Pfeile von Licht, Sie vergolden sie nur und erwärmen sie nicht. 0 1 Schiller. 41. Der Hund von Tt. Bernhard. Über den großen St. Bernhard führt ein Bergpaß aus der Schweiz nach Italien. In dem öden, hohen Felscnthale, von Bergen umschlossen, die ewiger Schnee bedeckt, steht die höchste menschliche Wohnung in der alten Welt, das St. Bernhards-Kloster. Hier wohnen zehn bis zwölf arme Mönche, deren einziges Geschäft cs ist, die Reisenden unentgeltlich zu be¬ wirten und ihnen alle Hülfe angedcihcn zu lassen. In den acht oder neun Monaten des Jahres, wo Schnee, Nebel, Ungewitter und Schneelawincn den Weg sehr gefährlich machen, streifen diese Mönche oder ihre Diener täglich umher um Verirrte aufzusuchen oder Versunkene zu retten. Schon viele Jahre her bedienen sie sich zur Rettung der Verunglückten auch be¬ sonders abgerichteter Hunde. Diese gehen entweder allein aus, oder sie werden von den Mönchen mitgenommen. Sobald ein solcher Hund einen Verunglückten ausgewittert hat, kehrt er in pfeilschnellem Laufe zu seinem Herrn zurück und macht durch Bellen, Wedeln und unruhige Sprünge seine Entdeckung kund. Dann wendet er um, immer zurücksehend, ob man ihm auch nachfolge, und führt seinen Herrn nach der Stelle hin, wo der Ver¬ unglückte liegt. Oft hängt man diesen Hunden ein Fläschchen mit Brannt¬ wein oder andern stärkenden Getränken und ein Körbchen mit Brot um den Hals, um es einem ermüdeten Wanderer zur Erquickung darzubieten. Ein solcher Hund war Barry. Zwölf Jahre lang war er unermüdet thätig und treu im Dienste der Menschheit, und er allein hat in seinem Leben mehr als vierzig Menschen das Leben gerettet. Der Eifer, den er hierbei bewies, war außerordentlich. Nie ließ er sich an seinen Dienst mahnen. Sobald der Himmel sich bedeckte, Nebel sich einstellten oder die gefährlichen Schneegestöber sich von weitem zeigten, hielt ihn nichts mehr im Kloster zurück. Nun strich er rastlos und bellend umher und ermüdete nicht, immer und immer wieder nach den gefährlichen Stellen zurückzukehren und zu sehen, ob er nicht einen Sinkenden halten oder einen Vergrabenen hervorscharren könne, und konnte er nicht helfen, so setzte er in ungeheuren Sprüngen nach dem Kloster hin und holte Hülfe herbei. Als er kraftlos und alt war, sandte ihn der würdige Prior'nach Bern, wo er starb und in dem Museum aufgestellt wurde. Lenz.