94 Kroch der Bär ins Wasser vor großem Elend und brummte Vor entsetzlichem Weh. Er wollte sich lieber ersäufen. Als die Schlüge so schändlich erdulden. Er hatte zu schwimmen Nie versucht und hoffte sogleich das Leben zu enden. Wider Vermuthen fühlt' er sich schwimmen, und glücklich getragen Ward er vom Wasser hinab; es sahen ihn alle die Bauern, Riefen: „Das wird uns gewiß zur ewigen Schande gereichen!" Und sie waren verdrießlich und schalten über die Weiber: „Besser blieben sic doch zu Hause! Da seht nun, er schwimmet Seiner Wege." Sie traten herzu, den Block zu besehen, Und sie fanden darin noch Haut und Haare vom Kopfe Und von den Füßen und lachten darob und riefen: „Du kommst uns Sicher wieder, behalten wir doch die Ohren zum Pfande!" So verhöhnten sie ihn noch über den Schaden, doch war er Froh, daß er nur dem Übel entgieng. Er fluchte den Bauern, Die ihn geschlagen, und klagte den Schmerz der Ohren und Füße; Fluchte Reineken, der ihn verrieth. Mit solchen Gebeten Schwamm er weiter; es trieb ihn der Strom, der reißend und groß war, Binnen weniger Zeit fast eine Meile hinunter. Und da kroch er ans Land am selbigen Ufer und keuchte. Kein bedrängteres Thier hat je die Sonne gesehen — Und er dachte den Morgen nicht zu erleben.... Da lag er Krank und elend und jammerte laut und sprach zu sich selber: „Schlüge nur einer mich todt! Ich kann nicht gehen und sollte Nach des Königes Hof die Reise vollenden und bleibe So geschändet zurück von Reinekens bösem Verrathe. Bring' ich mein Leben davon — gewiß, dich soll es gereuen!" Doch er raffte sich auf und schleppte mit gräßlichen Schmerzen Durch vier Tage sich fort, und endlich kam er zu Hofe. Als der König den Bären in seinem Elend erblickte, Rief er: „Gnädiger Gott! Erkenn' ich Braunen? Wie kommt er So geschändet?" Und Braun versetzte: „Leider, erbärmlich Ist das Ungemach, das ihr erblickt; so hat mich der Frevler Reineke schändlich verrathen!" Da sprach der König entrüstet: „Rächen will ich gewiß ohn' alle Gnade den Frevel. Solch einen Herrn wie Braun, den sollte Reineke schänden? Ja, bei meiner Ehre, bei meiner Krone! das schwör' ich: Alles soll Reineke büßen, was Braun zu Rechte begehret. Halt' ich mein Wort nicht, so trag' ich kein Schwert mehr, ich will es geloben!" I. W. v. Goethe. 2. HerrBraun, der Bär, zog stolz und kühn! Er war noch da den vorigen Tag, Den Weg in das Gebirge hin, j Weil Malpertaus dort nahe lag; Durch Wald und Wüste, weit entlang, | Denn Reineke hatte manches Haus, Bis er vollbrachte seinen Gang, , Doch war das stärkste Malpcrtaus; Und ein Paar Hügel vor ihm lagen, ! Daher er auch, so oft Gefahr »Wo Reinke pflegte oft zu jagen. Ihm drohte, dort am liebsten war.