239 sich von Pflanzen zn ernähren, die weder das Schaff noch die Ziegen fressen können. Sein Gaumen und seine Zunge sind nämlich mit einer harten, lederartigcn Haut überzogen, sodaß es stachlichc Kräuter, Nesseln und Baumrinde mit demselben Appetit zerbeißt wie das weichste Gras. In eben so auffallender Weise wie auf langes Ertragen des Hungers ist sein Körper auf langes Dürsten eingerichtet, indem die eine Abtheilung seines Magens mit zahlreichen Zellchen versehen ist. In diesen kleinen, häutigen Wasserflaschen bewahrt es für die Zeit der Noth einen Vorrath von Wasser auf, von dem so oft etwas in den Schlund zur Verdauung der Speisen tritt, als das Bedürfnis dazu vorhanden ist. Es kann des¬ halb 4 bis 6 Tage ohne Wasser hinbringen, trinkt aber 50 bis 60 Pfund auf einmal. Geht dem Wüstenreisenden der mitgenommene Wasservorrath aus, so sucht er sich, wie einige Reisende behaupten, dadurch zu retten, daß er eins seiner Kameele schlachtet, den Magen desselben herausnimmt und vermittelst des darin enthaltenen Wassers den brennenden Durst löscht. Andere erklären dies jedoch für eine Fabel, indem sie sagen, daß das im Magen des Kamecls aufgehobene Wasser gar nicht zu genießen sei. — Die Füße des merkwürdigen Thieres sind unten mit einem schwieligen Kissen versehen, auf dem die verwachsenen beiden Hufe gleichsam ruhen und mit welchem es den brennenden Sand- und Kiesboden ohne Nachtheil durch¬ wandern kann. Ein Pferd würde die Strapazen gar nicht aushalten können, die das Kameel ohne Beschwerde erträgt. In einer Hitze und Dürre der Luft, wo Pferd und Ochse verschmachteten, und bei einem Boden, in dem ein Wagen gar nicht fortrücken könnte, legt es mit einer Last von zehn Centnern täglich sechs Pfeilen zurück; ja man hat Beispiele, daß es un- beladen 24 Stunden in einem starken Trabe forteilt, ohne auszuruhen oder Verlangen nach Futter zu zeigen. Die rauhesten Gebirgswege steigt es mit Leichtigkeit und Sicherheit auf und ab und ist am Abend noch eben so frisch auf den Beinen wie am Morgen. An dem Schcnkelgelenk der Füße hat es harte Knorren, welche den schweren Körper stützen, wenn es niederkniet. Knieend läßt es sich seine Last abnehmen, knieend empfängt es dieselbe, wobei es ein klägliches, Erbarmen erregendes Schreien hören läßt. Aus dem Haare des Kamecls wird ein Tuch für Zelte und Mäntel bereitet. Seine Haut liefert ein gutes Leder für Schuhe und Wasser¬ schläuche. Aus seiner Milch gewinnt man Butter und Käse. Auch das Fleisch ist wohlschmeckend, und wie dieses Thier in den wasserarmen Gegen¬ den den Quell zu ersetzen weiß, so vermag es in den eben so holzärmen Wüstengegenden auch das Brennmaterial zu ersetzen, indem sein Mist wie Holz brennt. Die Wüstenbewohner sammeln denselben, trocknen ihn an der Sonne und haben daran oft das einzige Feuerungsmittel. So ist ihnen das Kameel, welches die Kuh, das Schaf und das Pferd vertritt, von der¬ selben Wichtigkeit, wie dem Lappen das Rennthier. Es ist das einzige Thier, welches den Verkehr ermöglicht, wie das Rennthier im Norden fast das einzige Thier ist, das mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Aus¬ dauer alle Schwierigkeiten überwindet, welche der Schnee dem Verkehr entgegensetzt. An Großartigkeit der Benutzung kann sich jedoch das Renn¬ thier nicht mit dem Kameel messen. Gude.