248 181. Ter Bergmann. Es grüne die Tanne, es wachse das Erz, Gott schenke uns allen ein fröhliches Herz. In feierlichem Schweigen thront über Hercyniens Bergen die stern- gekrönte Nacht. Nur die Waldbäche dürfen die alten Sagen von Frau Hulda und dem wilden Jäger den aufmerksam lauschenden Tannen mit¬ theilen, welche mit ihren schlanken Wipfeln dazu nachdenklich rauschen. Sonst ist es stille, und die Nacht kann hier, wie sie es in dem wüsten Treiben ferner Großstädte nicht vermag, ihre Gaben, Erquickung und Ruhe, solchen Günstlingen spenden, welche es werth sind. Da schlägt es vom Turme auf dem Gkockenberge bei St. Andreasberg zwei Uhr, und bald dringt aus den Fenstern hier und da der schwache Schimmer eines Lichtes. Wen duldet es da in so früher Stunde nicht länger in des Schlummers sanften Armen? Hier ist ein zwar unscheinbares, doch gastliches Haus; laßt uns eintreten und ungesehen alles betrachten. Den einst grünen Schachthut auf dem freundlich ernsten Haupte, leuchtet ein Mann im kurzen, schwarzen Kittel, welchen das Hinterleder eng um den Leib zu¬ sammenfaßt, noch einmal mit dem brennenden Grubenlicht über die Seinen, die Gattin lächelt im Traum, und das Kind wendet das rosenwangige Köpfchen zur Seite: „Behüt euch Gott, Glück auf!" flüstert er, und leise geht er fort. Aus dem Wandschrank der geräumigen Stube nimmt der Bergmann den Brotbeutel und den Pulversack; beide, Leben und Tod, birgt er an seiner Brust im Kittel, indem er des Pulvers gedenkend für sich spricht: „Nun bin ich in Gottes Hand!" Aus der Bergschmiede holt er sein „Gezäh", die von den wackern Söhnen Vulkans wiederum zuge¬ spitzten Bohrer. Von da ist's nicht weit bis zum Gaipcl des Samson, der tiefsten Grube im Harzgebirge. Von unten aus dem Thäte und von den Seiten des Berges nahen sich die Knappen dem düstern Gebäude, welches über dem Schachte erbaut ist. „Glück auf" und Händedruck begrüßt jeden, und bald beginnt es laut zu werden im anfangs stillen Chor der Knappen. Ernst und Scherz, Lust und Leid wird besprochen. — Dem Gespräch ein Ende, das Beten beginnt! Alle versammeln sich in des Gaipels weit gedehnter Stube, und voll Andacht dringt das Gebet empor zum all¬ mächtigen Bergwerksvater, welcher der Erde Adern mit Erzen reich ge¬ segnet, damit der Bergmann daraus Brot gewinne, ihn, den Herrn, bittet der weithin schallende Choral um Schutz und Schirm auf der gefahrvollen Bahn. Da leuchtet das purpurne Morgenroth des anbrechenden Sommer- tages gnädige Erhörung durch die Fenster, und die Einfahrt, Mann für Mann, beginnt. Noch einen Blick sendet der Bergmann durch die offene Gaipelsthür in die Welt des freundlichen Lichtes, das die Bergknppen mild vergoldet, sein Auge schweift über blumige Wiesen, über Wald und Feld, über Berg und Thal nach dem fernen Dache, das seine Lieben birgt, und dann steigt er getrosten Muthes hinab in die finstere Erdeunacht, die nur der Schimmer seines Lichtes erhellt. Sobald als möglich verläßt der Knappe die hölzerne Leiter, um sich mit der Fahrkunst auf leichtere Weise in die Tiefe befördern zu lassen. Ein Fehltritt läßt ihn in den Tod ver¬ sinken, doch bei der nöthigen Vorsicht hat er nichts zu fürchten. Hin und wieder verschwinden einige Kameraden, welche sich durch die Stollen