1 292 218. Friihlingslied. Die Luft ist blau, das Thal ist grün, Die kleinen Maienglocken blüh'n Und Schlüsselblumen drunter; Der Wiesengrund Ist schon so bunt Und malt sich täglich bunter. Drum komme, wein der Mai gefällt, Und freue sich der schönen Welt Und Gottes Vatergüte, Die solche Pracht' ervorgebracht, en Baum und seine Blüte. L- H. Chr. Hölty. 219. Der Spreewald. Wenige Stunden unterhalb der kleinen Stadt Peitz kommt die Spree wegen mangelnden Gefälles in Verlegenheit, welchen Weg sie wählen soll, und theilt sich daher in eine unzählige Menge von Armen, die netzförmig eine weite, bei hohem Wasserstande ganz überschwemmte Niederung durch¬ fließen. In älterer Zeit dehnte sich hier ein undurchdringlicher Bruchwald, den die Wenden zum Zufluchtsorte nahmen, als sie vor den Deutschen nach Osten hin weichen mußten. Die Nachkommen derselben wohnen noch heute im Spreewalde und haben nach Art ihres Stammes die väterliche Sprache und Sitte bewahrt. Ein Theil des Spreewaldes ist in meist künstlich erhöhtes fruchtbares Wiesen- und Gartenland verwandelt worden; der aus Dammcrde und Sand bestehende Boden zeigt den üppigsten Gras¬ wuchs. Ein anderer Theil bildet noch jetzt eine beträchtliche Waldmasse. Die herrschende Holzart ist die Erle, doch findet man auch Eichen, Buchen, Weiden und Kiefern; auf den höheren Stellen wuchern Vogelbeere und Heckenkirschen als Unterholz. Außer einigen unbedeutenden Sandhügeln oder Horsten ist alles ebene Fläche. Da die ganze Gegend von zahllosen Flußarmen oder Fließen und künstlichen Kanälen durchzogen ist, so müssen die Bewohner des Spreewaldes alles, was anderswo zu Fuße, zu Pferde oder zu Wagen abgemacht wird, in Kähnen verrichten; diese ziminert man aus Baumstämmen. Mit großer Geschicklichkeit wissen die Bewohner des Spreewaldes sie zu regieren, und pfeilschnell treibt man sie durch das Wasser. Alle Ausflüge und Besuche macht man zu Kahne ab. In fest¬ lichem Schmucke fährt man Sonntags in Kähnen zur Kirche. Auf Kähnen folgen die Leidtragenden der Leiche eines Verstorbenen, welche im Kahne zum Gottesacker gebracht wird. Der Förster besucht zu Kahne sein Revier, verfolgt zu Kahne den Holz- und Grasdieb, fährt zu Kahne zur Jagd. Der Wildstand ist reich: Hirsche, stark an Leib und Geweih, viele Rehe, auch Birkhühner und Bekassinen. Der Fremde, welcher zur Sommerzeit diese Gegend besucht und zu Kahne bereist, hat einen reichen Genuß. Die hohen uralten Eichen, Erlen und andere Banmarten, welche die Ufer be¬ säumen, bieten in der Sommerschwüle einen erquickenden Schatten und spiegeln ihr dunkles Laub lieblich in dem klaren Wasser. Unter einem Laubdache gleitet das Fahrzeug sanft dahin. An den Flußarmen klappern Mühlen, und freundliche Häuser verleihen der Landschaft den Charakter der Wohnlichkeit. Gewöhnlich liegen diese Häuser auf kleinen natürlichen Erhöhungen unter dem Schatten mächtiger Eichen, gleich kleinen Burgen mit Gräben rings umschlossen. Brücken, hohe Dämme und Fußsteige ver¬ binden diese Jnselsitze. Die Gegend von Burg gilt als besonders malerisch. Einen eigenthümlichen Anblick gewährt der Winter. Kaum hält das Eis,