351 selbst inmitten der lutherischen Kirche mannigfacher Streit sich erhob, in dem es die Wahrheit mannhaft zu bekennen und zu vertheidigen galt, da zitterte und trauerte Melanchthon wohl, aber jene Glaubenszuversicht und Bckenntnisfreudigkeit ward nicht au ihm erfunden, wie die ernste Zeit sie forderte. Eintracht und Frieden für die Kirche ersehnend und erflehend, verschied er im herzinnigen Glauben an seinen Erlöser (19. April 1560) und ward in derselben Kirche begraben, in welcher auch Luther ruht. A. Wippermann. 261. Teutscher Rath. 1. Bor Allem Eins, mein Kind: Sei treu und wahr, Laß nie die Lüge deinen Mund entweih'n! Von Alters her im deutschen Volke war Der höchste Ruhm, getreu und wahr zu sein. 2. Du bist ein deutsches Kind, so denke dran: Roch bist du jung, noch ist es nicht zu schwer. Aus einem Knaben aber wird ein Mann; Das Bäumchen biegt sich, doch der Bann, nicht mehr. 3. Sprich „ja" und „nein" und dreh' und deutle nicht; Was du berichtest, sage kurz und schlicht; Was du gelobest, sei dir höchste Pflicht; Dein Wort sei heilig, drum verschwend' es nicht! 4. Leicht schleicht die Lüge sich ans Herz heran, Zuerst ein Zwerg, ein Riese hintennach! Doch dein Gewissen zeigt den Feind dir an, Und eine Stimme ruft in dir: „Sei wach!" 5. Dann wach' und kämpf'/ es ist ein Feind bereit: Die Lüg' in dir, sie drohet dir Gefahr. Kind! deutsche kämpften tapfer allezeit; Du deutsches Kind, sei tapfer, treu und wahr! R. Reinlke. 262. Seid ihr der König oder der Bauer? Es ist nichts lieblicher, als wenn bisweilen gekrönte Häupter sich un¬ erkannt zu dem gemeinen Mann herablassen, wie König Heinrich der Vierte von Frankreich, sei cs auch nur zu einem gutmüthigen Spaß. Zu König Heinrich des Vierten Zeit ritt ein Bäuerlein vom Lande her des Weges nach Paris. Nicht mehr weit von der Stadt gesellte sich zu ihm ein anderer gar stattlicher Reiter, welches der König war, und sein kleines Gefolge blieb absichtlich in einiger Entfernung zurück. Woher des Landes, guter Freund? — Da und da her. — Ihr habt wohl Geschäfte zu Paris? — Das und das, auch möchte ich gern unsern guten König einmal sehen, der so väterlich sein Volk liebt. — Da lächelte der König und sagte: Dazu kaun euch heute Gelegenheit werden. — Aber wenn ich auch nur wüßte, welcher cs ist unter den Vielen, wenn ich ihn sehe! — Der König sagte: Dafür ist Rath. Ihr dürft nur acht geben, welcher den Hut allein auf dem Kopfe behält, wenn die Anderen ehrerbietig ihr Haupt entblöße». — Also ritten sie mit einander in Paris ein, und zwar das Bäuerlein hübsch auf der rechten Seite des Königs. Denn es kann nie fehlen: Was die liebe Einfalt Ungeschicktes thun kann, sei cs gute Meinung oder Zufall, das thut sie. Aber ein gerader und nnverkünstelter Bauersmann, was er thut und sagt, das thut und sagt er mit ganzer Seele,