530' Dochte in Leuchtgas, das sich sogleich entzündet. Das Licht brennt. Da¬ durch ist aber der lockere Docht, soweit er in die heiße Flamme hineinragt, trocken geworden. Er saugt nun wie ein Schwamm den Talg ein, der unter ihm in der Hitze der Flamme flüssig geworden ist. Sobald dieser frische Talg in den Bereich der Flamme kommt, wird er sogleich in Leuchtgas verwandelt und verbrennt. In dieser Weise geht's fort; das Licht erzeugt das nöthige Leuchtgas immer von neuem selbst und kan» daher ruhig weiter brennen. Nun ist's auch erklärlich, weshalb der von einer eben ausgeblasenen Kerze aufsteigende Rauch so leicht brennt, sobald man ihm ein brennendes Streichhölzchen nähert. Karass-r. 421. Die Überschwemmungen der Halligen. Zur Gewohnheit sind den Bewohnern der Halligen, der kleinen Eilande an der Westküste des Herzogthums Schleswig, die Überschwem- mungen geworden, die, alles flache Land überwogend, an den Werften hinaufsteigen und an die Mauern und Fenster der Hütten mit ihrein weißen Schaum anschlagen. Da blicken denn diese Wohnungen aus der weiten, wogenden Wasserfülle nur noch als Strohdächer hervor, von denen man nicht glaubt, daß sie menschliche Wesen bergen, daß Greise, Männer, Frauen und Kinder unterdessen völlig ruhig um ihren Theetisch her sitzen und kaum einen flüchtigen Blick auf den herandrängenden Ocean werfen. Manch fremdes, aus seiner Bahn verschlagenes Schiff segelte schon in solchen Zeiten bei nächtlicher Weile über eine Hallig weg, und die er¬ staunten Seeleute glaubten sich von Zauberei umgeben, wenn sie auf einmal neben sich ein freundliches Kerzenlicht durch die hellen Fenster- einer Stube schimmern sahen, die, halb von den Wellen bedeckt, keinen andern Grund als die Wellen zu haben schien. Aber es bricht der Sturm zugleich mit der Flut auf das bange Eiland ein. Die Wasser steigen gegen sieben Bieter über ihren gewöhnlichen Stand hinauf. Die Wogen dehnen sich zu Berg und Thal, und das Meer sendet in immer neuen, langen Zügen seine volle Gewalt gegen die einzelnen Werste, um sie aus seiner Bahn wegzuschieben. Der Erdhügel, der nur eine Zeit lang zitternd widerstand, gibt nach; bei den unausgesetzten Angriffen bricht ein Stück nach dem andern ab und schießt hinunter. Die Pfosten des Hauses, welche die Vorsicht eben so tief in den Boden hineinsenkte, als sie darüber hervorstehen, werden dadurch entblößt; das Meer faßt sie, rüttelt sie. Der erschreckte Bewohner des Hauses rettet erst seine besten Schafe hinauf auf den Boden; dann flieht er selbst nach. Und hohe Zeit war es; denn schon stürzen die Mauern, und nur noch einzelne Ständer halten den schwan¬ kenden Dachboden, die letzte Zuflucht. Mit furchtbarem Siegesübermuth schalten nun die Wogen in dem untern Theile des Hauses; sie werfen Schränke, Kisten, Betten, Wiegen mit wildem Spiel durcheinander, schla¬ gen sich immer freieren Durchgang, um alles hinauszureißen auf den weiten Tummelplatz ihrer unbändigen Kraft, und der Stützpunkte des Daches werden immer weniger, des Daches, dessen Niedersturz rettungslos einer im sanften Arm des Schlummers ruhenden Familie ein schäumendes Grab bereitet. Ängstlich lauscht das Ohr, ob nicht das Brausen des Sturmes abnehme; .ängstlich pocht das Herz bei jeder Erschütterung.