verzehren hatte, konnte cs in der Geschwindigkeit nicht ausrechnen, wie cs
möglich sei, täglich mit zwölf Groschen auszureichen und noch so frohen
Muthes dabei zu sein, und verwunderte sich darüber. Aber der brave Mann
im Zwilchrocke erwiderte ihm: „Es wäre mir übel gefehlt, wenn ich so
viel brauchte. Mir muß ein Drittheil davon genügen. Mit einem Drit-
theil trage ich meine Schulden ab, und das letzte Drittheil lege ich auf
Kapitalien an." Das war dem guten Fürsten ein neues Räthsel. Aber
der fröhliche Landmaun fuhr fort und sagte: „Ich theile meinen Verdienst
mit meinen armen Eltern, die nicht mehr arbeiten können und mit meinen
Kindern, die es erst lernen müssen. Jenen vergelte ich die Liebe, die sie
mir in meiner Kindheit erwiesen haben, und von diesen hoffe ich, daß sie
mich einst in meinem müden Alter auch nicht verlassen werden.« War das
nicht artig gesagt, und noch schöner und edler gedacht und gehandelt? Der
Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des wackern Mannes, sorgte für seine
Söhne, und der Segen, den ihm seine sterbenden Eltern gaben, wurde ihm
im Alter von seinen dankbaren Kindern durch Liebe und Unterstützung red¬
lich entrichtet. P- Hebel.
23. Gottes Zucht.
1. Wenn alles eben käme.
Wie du gewollt es hast,
Und Gott dir gar nichts nähme,
Und gab' dir keine Last;
Wie wär's da um dein Sterben,
Du Menschenkind, bestellt?
Du müßtest gar verderben,
So lieb wär' dir die Welt.
2. Nun fällt — eins nach dem andern —
Manch süßes Band dir ab,
Und heiter kannst du wandern
Gen Himmel durch das Grab;
Dein Zagen ist gebrochen,
Und deine Seele hofft. —
Dies ward schon oft gesprochen,
Doch spricht man's nie zu oft.
de la Motte-Fouque.
24. Stand
1. Kennst du den Ackersmann?
Darfst nicht sein Kleid betrachten
Und seine Armuth «erachten;
Gott der Herr wies ihn an,
Daß er mit Fleiß das Feld
Ackert und wohl bestellt.
Gott der Herr selber giebt
Dann zu dem Werk das Gelingen,
Lässet es Früchte bringen,
Weil er den Bauer liebt;
Schenket ihm Brot für sich
Und auch dazu für dich.
2. K ennst du d cn H a nd w e r k s m a n n?
Hat wohl gar harte Hände,
Arbeit und Blüh' ohn' Ende.
Sieh' ihn nicht scheel d'rum an;
Gott der Herr ruft ihm zu:
Geh', meinen Willen thu'!
und Beruf.
Gott gab ihm ja die Hand,
Gab ihm Geschick und Kräfte,
Daß er kann sein Geschäfte
Treiben recht mit Verstand.
Und was er schafft und thut,
Mir kommt's und dir zu gut.
3. Kennst du den Hirten auch?
Hütet draußen die Herde,
Wacht mit vieler Beschwerde,
Kennt nicht der Städte Brauch.
Menschen verschmäh'n ihn gern;
Doch er gefällt dem Herrn.
Ist ja der selber ein Hirt,
Alle Geschöpfe zu weiden;
Sättiget sie mit Freuden,
Wacht, daß sich keines verirrt;
Nährt auch dich täglich neu,
Führt dich mit Hirtentreu'.