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so schnallt sich alle Welt Schlittschuhe an. Das arme alte Mütterchen,
das sich Raff- und Leseholz sammelt, der Holzhauer, der Förster, Männer,
Weiber und Kinder, alle gleiten dann pfeilschnell über die spiegelblanken
Kanäle. H.A. Daniel.
220. Der Seidenschmetterling.
Unter allen Schmetterlingen, welche man mit dem Namen „Spinner"
bezeichnet, ist keiner an Bedeutung und Verbreitung dem Seidenschmettcr-
ling zu vergleichen. Er hat in der That eine weltgeschichtliche Be¬
stimmung; denn der von ihm gelieferte Webstoff nimmt eine noch immer
wachsende Wichtigkeit im Weltverkehr ein; seine Hervorbringung beschäftigt
ganze Völkerstämmc, sein Besitz bereichert ganze Länder.
Das schmucklose Insect stammt ursprünglich aus den Maulbeerwäldern
Chinas, ist aber längst auch nach Südcnropa übergesiedelt, um hier in
treibhausartiger Temperatur und unter dem wachsamen Auge der Züchter
sich fortzupflanzen und zu vermehren. Jedes Weibchen legt 4—500 Eier,
und es gehören ihrer mindestens 20000 zu einem Loth; denn sic haben
kaum die Größe eines Mohnkorns. Der Anblick dieser „Körner" läßt
freilich die Beschauer fürcrst noch ziemlich gleichgültig. Er lächelt höchstens,
wenn er hört, daß eifrige Seidcnbaucr dieselben in sorgsam zusammenge¬
falteten Tüchern auf ihrer Brust umhertragen, um sie schneller reifen zu
lassen. Der Eindruck des Winzigen und Komischen dauert auch dann noch
fort, wenn nach 10—12 Tagen die Eier sich in zahllose schmutzige Würm¬
chen verwandeln, und im Siebe durcheinander wimmelnd, kaum die Hand¬
voll Maulbeerblätter bewältigen, welche die Wärterin ihnen reicht. Aber
wunderbar schnell wächst ihre Gefräßigkeit. Ganze Berge des jungen Maul¬
beerlaubes werden über sie hingeworfen und verschwinden in wenigen Mi¬
nuten, so daß schließlich auf das Loth Eier acht Centner Futter kommen.
Auf diese Weise wird der kleine schwärzliche Wurm zur fingerlangen,
weiß- oder goldglänzenden Raupe, jedoch nicht ohne mit jeder seiner vier
Häutungen eine große Gefahr für sein Leben bestehen zu müssen. Endlich,
wenn nach dreitägigem Schwelgen die Raupe Stoff genug gesammelt hat,
sucht sie einen Winkel, wo sie sich den eigenen Sarg bereiten könne. Die
zu, diesem Zwecke aufgestellten Reiser und Zweige sind mit ihren Spitzen
zusammengebunden und bilden lange Wölbungen, die dem Blicke je länger