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und sieht nicht um sich, was geschieht, wenn's ihn nicht angeht. Also gab
auch der unsrige dem König auf seine Fragen nach dem Landbau, nach
seinen Kindern, und ob er auch alle Sonntage ein Huhn im Topfe habe,
gesprächige Antwort und merkte lange nichts. Endlich aber, als er doch
sah, wie sich alle Fenster öffneten, und alle Straßen mit Leuten sich füllten,
und alles rechts und links auswich und ehrerbietig das Haupt entblößt
hatte, gieng ihm ein Licht ans. Herr! sagte er, und schaute seinen unbe¬
kannten Begleiter mit Bedenklichkeit und Zweifel an, entweder seid ihr der
König oder ich bin's! Da lächelte der König und sagte: Ich bin's. Wenn
ihr euer Rößlein eingestellt und eure Geschäfte besorgt habt, sagte er, so
kommt zu mir in mein Schloß. Ich will euch alsdann mit einem Mittags-
süpplein aufwarten und euch auch meinen Ludwig zeigen.
Von dieser Geschichte her rührt das Sprichwort, wenn jemand in
einer Gesellschaft aus Vergessenheit oder Unverstand den Hut allein auf
dem Kopfe behält, daß man ihn fragt: Seid ihr der König oder der
Bauer? Heber.
263. Der Wegweiser.
Weißt, wo der Weg zum Mehl¬
faß geht.
Zum vollen Faß? Im Morgenroth
Mit Pflug und Karst durchs JÄeizenfeld,
Bis Stern an Stern am Himmel steht.
Man schafft, weil's Tag ist, ohne Ruh';
Schaut sich nicht um, bleibt nimmer stehn;
Drauf geht's durch Scheun' und Tenne fort
Dem Brotschrank in der Küche zu.
Weißt du den Weg zum Thaler?
Sieh',
Er geht dem rothen Pfennig nach;
Und wer nicht um den Pfennig sorgt,
Der bringt es auch zum Thaler nie.
Wo geht's zur frohen Sonntags¬
zeit?
Folgt immerdar dem Werkeltag,
tut durch die Werkstatt, dort durchs Feld;
ann ist der Sonntag auch nicht weit.
Am Samstag ist er vollends nah.
Was deckt er wohl im Körbchen zu?
Ich denk, ein Pfündchen Fleisch ins Mus,
Wohl auch ein Schöppchen Wein ist da.
Wo gehtderWeg zur Armuth hin?
Schau nach den Wirtshausschildern hin!
Geh nicht vorbei, der Wein ist gut
Und nagelneu die Karten drin.
Im letzten Wirtshaus hängt ein Sack;
Und gehst dil fort, häng dir ihn um!
„Du alter Lump, wie steht so gut.
So zierlich dir der Bettelsack!
Und drin von Holz das Becherlein —
Nimm's wohl in acht, verlier es nicht!
Und wenn du zu dem Wasser kommst
Und trinken magst, so schöpfe drein!"
Wo geht's zum frohen Alter?
sprecht,
Wo ist der Weg zu Ehr' und Ruh?
Grad vor dir hin in Mäßigkeit,
Mit stillem Sinn in Pflicht und Recht.
Und führt zum Kreuzweg dich die Spur,
Und weißt du nicht den rechten Pfad,
So frage beim Gewissen an:
Es kann ja deutsch — ihm folge nur.
Wo ist der Weg zum Leich enstein?
Ach! frage nicht! geh, wo du willst;
Zur stillen Gruft im kühlen Grund
Führt jeder Weg, kannst sicher sein.
In Gottesfurcht nur wandle hier!
Das rath' ich dir, so viel ich kann.
Ein heimlich Pförtchen hat das Grab,
Und manches zeigt es jenseits dir.
Nach Hebel.
264. Der Herbst.
Den September nennt man den Hcrbstmonat. Also wäre in der Nacht
vom letzten August zum September die Scheidewand zwischen Sommer und
Herbst gesetzt! Nimmermehr. Wir wissen ja längst, daß im Laufe eines
Jahres nirgends eine Scheidewand ist. Und wie sollten zumal wir eine
finden, wir, die wir ununterbrochenes Kommen und Gehen der Gestalten
das Jahr hindurch gelernt haben. Ja, wir fühlen wohl das allmähliche