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Willst du von dieser Kraft eine ganz kleine Probe haben, so reibe
die Siegellackstange auf deinem Rockärmel, lege ein kleines Stücklein
Papier auf den Tisch und halte den Siegellack daran, so wird das Pa¬
pierchen hinanspringen und daran hängen bleiben. Reibe im Dunkeln das
Fell von der ersten besten Katze gegen den Strich, und kleine Feuerfunken,
es sind kleine Blitze, fahren knisternd heraus. Was ist das für eine
Kraft? Ja, nennen will ich sie dir, wie man den Namen von einem
Menschen, der vorüber geht, nennt. Wie man aber nicht weiß, was er
alles im Herzen stecken hat, so weiß man auch von dieser Kraft nicht,
was sie eigentlich ist.
Schon vor mehreren tausend Jahren entdeckten die alten Griechen
am Bernstein die Kraft, leichte Gegenstände anzuziehen, wenn man ihn
durch Reiben warm gemacht hatte, und weil sie den Bernstein in ihrer
Sprache Elektron nannten, so gaben sie auch der Eigenschaft desselben,
leichte Körper anzuziehen, hiernach den Namen, und so nennen wir sie
noch heute Elektricität, und die Körper, die diese Kraft in sich haben,
elektrisch. Solche Elektricität erzeugt sich auch in den Wolken. Es
bilden sich jene dunkeln, blauen Wolken, an denen wir erkennen, daß ein
Gewitter heraufzieht. Die angesammelte Elektricität strömt aus, und
wir sehen den das Auge blendenden Feuerstrahl, den Blitz, hernieder¬
fahren. — Was ist denn nun aber der Donner beim Blitze? Der
elektrische Funke, der Blitz, fährt mit ungeheurer Schnelligkeit und Kraft
durch die Luft und dadurch entsteht der Donner. Das Klatschen mit der
Peitsche, der Knall beim Schießen aus der Kanone entsteht ganz ähnlich
wie der Donner durch eine schnelle Bewegung der Luft. Denke nur an
das Heulen des Sturmes! Mügge.
401. Nutzen chemischer Kenntnisse.
Jedermann weiss, dass ein Stück Eisen sich beim Ausglühen
in Hammerschlag, beim Liegen in feuchter Luft oder Erde aber
in Rost verwandelt, dass der ausgepresste Saft der Weintrauben
nach und nach zu Wein wird und dieser wieder zu Essig, dass
Holz in einem Ofen oder Öl in einer Lampe beim Verbrennen
verschwindet, dass Thier- und Pflanzenstoffe mit der Zeit verderben,
zerfallen und endlich gleichfalls verschwinden. Hammerschlag und
Rost sind verändertes Eisen. Das Eisen ist hart, zähe, grauweiss
und glänzend; in der Glühhitze wird es unter Gewichtsvermehrung
schwarz, matt und brüchig, in feuchter Luft braungelb und pulverig.
Der Wein ist veränderter Most. Von dem süssen Geschmack, den
der Traubensaft besass, ist an ihm nichts mehr wahrzunehmen; er
schmeckt geistig, besitzt eine erwärmende und berauschende Kraft,
die in dem Most nicht vorhanden war. Der Essig ist veränderter
Wein; er schmeckt und riecht sauer statt geistig und sein Genuss
wirkt nicht berauschend, sondern kühlend und niederschlagend.
Das bei der Verbrennung verschwundene Holz oder Öl müssen wir
in der Luft suchen; denn beide Stoffe verwandeln sich beim Ver¬
brennen in Luftarten. Bei dieser Verwandlung wird zugleich