— 156 — I. 1. Unter allen Schlangen ist eine, 3. Sie liebt die höchsten Spitzen: auf Erden nicht gezeugt, nicht Schloß, nicht Riegel kann mit der an Schnelle keine, vor ihrem Anfall schützen; an Wut sich keine vergleicht. der Harnisch — lockt sie an. 2. Sie stürzt mit furchtbarer Stimme 4. Sie bricht wie dünne Halmen auf ihren Raub sich los, den stärksten Baum entzwei; vertilgt in einem Grimme sie kann das Erz zermalmen, den Reiter und sein Roß. wie dicht und fest es sei. 5. Und dieses Ungeheuer hat zweimal nie gedroht — Es stirbt im eignen Feuer; wie's tötet, ist es tot! Friedrich v. Schiller 91. Muxgenwanderung. 1. Wer recht in Freuden wandern will, 3. Da zieht die Andacht wie ein Hauch der geh' der Sonn' entgegen; durch alle Sinnen leise, da ist der Wald so kirchenstill, da pocht ans Herz die Liebe auch kein Lüftchen mag sich regen. in ihrer stillen Weise, Noch sind nicht die Lerchen wach, pocht und pocht, bis sich's erschließt nur im hohen Gras der Bach und die Lippe überfließt singt leise den Morgensegen. von lautem, jubelndem Preise. 2. Die ganze Welt ist wie ein Buch, 4. Und plötzlich läßt die Nachtigall darin uns aufgeschrieben im Busch ihr Lied erklingen, in bunten Zeilen manch ein Spruch, in Berg und Tal erwacht der Schall wie Gott uns treu geblieben; und will sich aufwärtsschwingen, Wald und Blumen nah und fern und der Morgenröte Schein und der helle Morgenstern stimmt in lichter Glut mit ein: sind Zeugen von seinem Lieben. Laßt uns dem Herrn lobsingen! Emanuel Geibel. 92. Abendlied. 1. Ich stand auf Berges Halde, 2. Des Himmels Wolken tauten als heim die Sonne ging, der Erde Frieden zu; und sah, wie überm Walde bei Abendglockenlauten des Abends Goldnetz hing. ging die Natur zur Ruh'.