153 Die Wege in den Alpen sind meist sehr gefährlich. An schwindelnd steilen Felswänden hin führen die Fußpfade, oft auf schinalen Bruͤcken über grausig tiefe Abgründe Hier und da wartet des Wanderers ein Hospiz, d. i. ein in früheren Jahrhunderten zum Dienst der Reisenden und zut Rettung und Verpflegung Verunglückter erbautes Haus. Und zur Andacht wird der Wanderer gestimmt, wenn er still und in sich gekehrt im schaurigen Thale plötzlich eine Kapelle erblickt, die ihn auffordert, sich durch Gebet zu der gefahrvollen Reise zu bereiten. Während die meisten Einsenkungen der Gebirgskämme so hoch und steil und durch Abgründe und Gletscher so ge⸗ fährlich sind, daß sie nur für Menschen oder für den sicheren Tritt der Maultiere gangbar gemacht werden konnten, sind über einige Berge Straßen gelegt, z. B. über den St. Gotthard und über den Simplon. 179. Abschied des Sennen. Ihr Matten, lebt wohl! Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet Ihr sonnigen Weiden! neu, Der Senne muß scheiden, Wenn die Brünnlein fließen im lieb— Der Sommer ist hin. lichen Mai. Wir fahren zu Berg, wir kommen Ihr Matten, lebt wohl! wieder, Ihr sonnigen Weiden! Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen Der Senne muß scheiden, die Lieder, Der Sommer ist hin. Schiller— 180. Die Gemse. Die Gemse ist der Ziege sehr ähnlich, besonders der Alpenziege, unter—⸗ scheidet sich aber von ihr durch die pechschwarzen, hakenförmig gekrümmten Hörnchen, die längeren, plumperen Beine, den gestreckteren Hals und den kürzeren, gedrängteren Körperbau. Dieser ist im ganzen elastisch, besonders der Hals dehnbar. Auf allen Vieren stehend, kann sie sich so in die Höhe strecken, daß sie 112 Meter hoch reicht, wobei ihre Schwere fast ganz auf den Hinterfüßen ruht. Der Kinnbart fehlt ihr stets ebensowohl als dem Steinbocke. Im Früuühlinge ist die Gemse am lichtesten gefärbt, hell- fast weißlichgrau, im Sommer wird sie rehfarben-rötlichbraun, im Herbste dunkelt sie allmählich ab, bis sie im Dezember schwärzlichbraungrau, nicht selten sogar kohlschwarz wird. Mit der Färbung wechselt sie die Haare nicht jedesmal, und waͤhrscheinlich bestimmt die Verschiedenheit der Nah— rung, verbunden mit den Einflüssen der Luft und mit der Wirkung des Lichtes, einzig die Farbenänderung. Von jedem der beiden großen, schwarzen, stark hervorstehenden, höchst ausdrucksvollen Augen läuft ein dunkelbrauner, breiter Strich nach der Schnauze Im Winler wird der Pelz äußerst dicht; die oberen, groben und brüchigen Haare werden bei älteren Tieren an vier Centimeter lang. Die Füße der Gemse sind weit dicker als die der Ziegen; sie kann die mit einer erhöhten Randeinfassung umgebenen Hufe, besonders der Vorderfüße, stark auseinanderspreizen, was ihr beim lauf übers Eis oder auf schmaler Felsensohle wohl zu statten kommt. Die Spitzen der sehr festen Hörner sind scharf und fein, eine treffliche Waffe,