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140. Der Holzwurm.
Der bunte Finke baut sein Nest
dem schönsten Waldbaum ins Geäst.
„Am Ersten soll die Hochzeit sein.
Der Baum ist mein.“
Da kommt ein Mann im Jägerkleid
und mißt den Baum, wie hoch, wie breit,
und gräbt dem Baum ein Zeichen ein.
„Der Baum ist mein.“
Ein kleiner Wurm, man sieht ihn kaum,
guckt mit dem Köpflein aus dem Baum
und lacht und spricht ganz leise: „Nein,
der Baum ist mein.“
Rudolf Baumbach.
141. CLeistung und Gegenleistung
im Reiche der Natur.
Wenn ich durch Wald und Feld wandere und mir überlege, in
welcher Weise all das bunte Volk, dem ich auf solchen einsamen
Spaziergängen begegne, miteinander verkehrt, dann will es mir
scheinen, als wenn es doch viel friedlicher zuginge, als es uns die
Herren Naturforscher glauben machen möchten. Wohl besteht ein
Wetteifer zwischen all den verschiedenen Geschöpfen, und fast jedes
von ihnen strebt, meist im buchstäblichen Sinne des Wortes, nach
dem Platz an der Sonne.
Aber es will mir scheinen, als ließe sich dieser Wetteifer weit
besser, als mit einem erbitterten und auf die Vernichtung des Geg-
ners ausgehenden Kampfe, mit dem Wettbewerb vergleichen, wie
er etwa in einem großen Handelsplatz besteht, wo auch jeder dem
anderen den Rang abzulaufen sucht und doch alle sich miteinander
verbunden fühlen und sich gegenseitig wohlgesinnt sind. Der große
Unterschied dieses Kampfes von dem anderen besteht darin, daß
hier die große Regel von der Ceistung und Gegenleistung die Nampfes⸗
weise bestimmt. Daß auch im Zusammenleben der Geschöpfe in
der freien Natur diese Regel eine ungeheure Rolle spielt, das erkennt
man um so deutlicher, je tiefer man in dasselbe eindringt.
Der naturwissenschaftlich Unerfahrene, der im Walde die Baum—
stämme von Flechten überwuchert findet, sieht in ihnen nichts