— 454 — Handelsstädte mehr in den Vordergrund, und die Wohnplätze im Süden Deutschlands begannen aufzublühen: Wien, Augsburg, Ulm und Nürnberg. Die Entdeckung neuer Handelswege am Ausgang des Mittel— alters fand die Deutschen nicht untätig, wenngleich die romanischen Nationen, die Portugiesen und Spanier, daran den Hauptteil hatten. Insbesondere waren die Fugger und Welser, reiche Kauf— leute in Augsburg, bestrebt, die neuen Verkehrsverhältnisse sich dienstbar zu machen. Sie haben Flotten aus spanischen Häfen ausgehen lassen und sich am spanischen Gewürzhandel beteiligt, ja selbst zu Eroberungen und Kolonisationen sind sie fortgeschritten. Venezuela wurde besetzt und sollte richtiger Welserland heißen. Doch ohne Unterstützung durch das Reich, dem eine Flotte fehlte, wurden die deutschen Kolonisatoren immer mehr aus ihren Handels⸗ beziehungen verdrängt. Die grauenvollen Zeiten des Dreißig— jährigen Krieges vollendeten den Verfall des deutschen Handels zu Land und zur See. Holland und England rissen das deutsche Erbe an sich. Wohl versuchte der Große Kurfürst, der in der Schule der Holländer herangewachsen war und die Bedeutung des Meeres als Quelle der Völkergröße kennen gelernt hatte, die Schöpfung einer Handelsflotte und die Gründung einer Kolonie in West— afrika. Im Jahre 1683 wurde trotz des Einspruchs eifersüchtiger Mächte von einem Teile der Küste Besitz ergriffen, das Fort Groß— Friedrichsburg errichtet, und verheißungsvolle Handelsbeziehungen wurden eröffnet. Aber schon sein Nachfolger, der erste preußische König Friedrich J., hatte für diese Bestrebungen wenig Interesse, und Friedrich Wilhelm L., der Vater Friedrichs des Großen, ver— kaufte seinen Besitz der Holländisch-Westindischen Kompagnie für 6000 Dukaten. Über 200 Jahre litt das deutsche Volk unter seinen unglück— seligen politischen Verhältnissen; es war meerfremd geworden, und dem Rückgang des gewerblichen Lebens ist der des geistigen gefolgt. Nur langsam bereitete sich der Eintritt Deutschlands in die Reihe der Welthandelsmächte vor. Der Sinn für fremdes Volks— tum und fremde Eigenart war in Deutschland immer rege, leider oft zu seinem Schaden. Außerdem war die Kenntnis der fremden Sprachen bei uns allmählich zu solcher Verbreitung gelangt wie kaum anderswo. Die unmittelbare Veranlassung zur Entwicklung