48 „Habt ihr nicht vernommen“, entgegnete der ältere, „daß der Vater gesagt hat: Erst die Arbeit und dann das Spiel?“ „Ei“, versetzten jene, „wird nur beides getan, so kommt es wohl nicht darauf an, was zuerst oder zuletzt geschieht.“ Mit diesen Worten warfen sie ihre Bücher zur Seite und hüpften leichten Sinnes hinaus in den Garten. Die ältern blickten ihnen nach in die lockende Freiheit; allein sie ließen sich nicht irre machen und arbeiteten fort, still und schweigend, wie es der Vater befohlen hatte. Draußen aber stand die Sonne noch hoch, und die Luft war schwül. Doch die Kinder achteten der Hitze nicht, sprangen in wilder Jagd hinter den Schmetter⸗ lingen her und trieben allerhand unbändige Spiele und ge— bärdeten sich wie eine zügellose Schar. Als nun die ältern ihre Arbeiten beendigt hatten und sich zu den jüngern in den Garten begaben, um sie an ihre Pflicht zu mahnen, gedachten diese voll Schrecken ihrer Aufgaben. Der Strenge des Vaters eingedenk, begaben sie sich ohne Wider⸗ rede in ihr Zimmer zurück. Als sie aber die Bücher ergriffen, sieh, da vermochte keins weder zu lesen noch zu schreiben; denn sie waren alle erhitzt und erschöpft, und die Buchstaben tanzten vor ihren Augen. Dabei wurde es dunkler und dunkler im Zimmer. Sie traten ans Fenster. Aber ach! während sie trauernd hinausschauten, wanderten die glücklichen Geschwister im kühlen Schatten umher, die Blumen begießend und sich erquickend an dem linden, herrlichen Abende. Vor Unmut weinend, daß sie die schöne Feierstunde verscherzt hatten, griffen sie wieder zu den Büchern. Aber ihre Gedanken vermochten sie nicht mehr zu sammeln; und sie irrten eins wie das andere voll Furcht und Unruhe im Zimmer umher. Als nun der Vater zurückkam und die verlegenen Gesichter der Kinder sah, und wie sich das eine hinter dem andern verbarg, berief er die ältern und fragte: „Was ist geschehen?“ Da trat eins von diesen hervor und erzählte, was sich be— geben hatte, und wie jene gespielt hätten und dann zur Arbeit gegangen wären. „Und wo sind die Arbeiten?“ fragte der Vater.