311 — Daraus ersehen wir schon die Hauptfunktionen unseres Außen— handels. Er schafft herbei, was uns an Lebens- und Genußmitteln fehlt. Er schleppt die Rohmaterialien für unsere Industrie heran, soweit wir sie nicht selbst gewinnen. Er vertreibt aber auch die Er— zeugnisse unseres Gewerbefleißes. Ihm haben wir es zu verdanken, wenn in Deutschland auf einer Fläche, wo früher 25 Millionen Menschen lebten, heute 65 Millionen besser gedeihen als zu Groß— vaterzeiten. Da wir Waren exportieren, brauchen wir keine Men— schen zu exportieren. Mit dem Steigen des Außenhandels ist die Aus⸗ wanderung zurückgegangen. Der Außenhandel ist aber auch eine der Hauptstützen der Staatsfinanzen. Er liefert den größten Teil der Einnahmen auf den Eisenbahnen; er wirft für das Reich die kolos⸗ sale Summe von 760 Millionen Mark aus den Zöllen ab und schafft dadurch die Mittel, mit denen wir größtenteils unser Heer und unsere Marine unterhalten. Der Außenhandel hat nicht nur der Industrie, sondern ebensosehr der Landwirtschaft genützt. Niemals hat in Deutschland die Landwirtschaft solche Einnahmen aus Vieh— zucht und Gartenbau gezogen wie unter der Herrschaft der Industrie und des Außenhandels. Der Außenhandel bringt Geld ins Land. Sobald er nämlich z. B. fleißig Kohlen, Eisen, Eisenwaren und Email— geschirre abnimmt und nach dem Ausland verfrachtet, wird auf den Zechen und Werken in Rheinland-Westfalen und Oberschlesien flott gearbeitet. Die Werke können steigende Löhne zahlen und Wohl— fahrtseinrichtungen schaffen. Der Arbeiter trägt den größten Teil seines Lohnes zum Krämer und Hauswirt. Das Detailgeschäft blüht und die Hypothekenzinsen können prompt bezahlt werden. Jeder Rückschlag im Eisen⸗ und Kohlenexport wirkt auf die Brauereien unmittelbar ein; die Brauer können weniger Bier herstellen und die Gastwirte klagen. Jede Abschwächung im Außenhandel macht sich bei den großen Konfektionsfirmen in Berlin, Stettin und Breslau sofort bemerkbar. Der Außenhandel ist direkt ein Ventil für unser ganzes Wirtschaftsleben. Früher lag die Vermittlung zwischen Kauf und Verkauf im deutschen Außenhandel zum größten Teile in englischen Händen; und als wir anfingen auf eigenen Schiffen zu verfrachten, wurden diese Schiffe zumeist in England gebaut. Mit dem Außenhandel aber wuchs das Nationalgefühl. Wir wollten nicht nur die Kommissionen, die bis dahin an das Ausland gegangen waren, selbst verdienen, sondern wir wollten auch Herr in der Handelsflotte sein. So fingen wir an selbst Schiffe zu bauen. Aus dem Außenhandel und mit ihm