164 180. Die Wiehtelmänner. 1. Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, dab ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem ein- zigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, die wollte er den nächsten Morgen in Arbeit nebmen; und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich zur Arbeit niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich und wubte nicht, was er dazu sagen sollte. Er nahm die Schuhbe in die Hand, um sie näher zu betrachten: sie waren so sauber gearbeitet, dabß kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf frat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster Konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen er- handeln. Er schnitt sie abends zu und wollte den nächsten Morgen mit frischem Mut an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht; denn als er aufstand, waren sie schon fertig, und es blieben aueh nicht die Käufer aus, die ihm so viel Geld gaben, daß er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen konnte. Er fand früh morgens auch die vier Paar fertig, und so ging's immerfort; was er abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte und endlich ein woblhabender Mann ward. 2. Nun geschah es eines Abends nicht lange vor Weih- nachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, dab er vor Schlafengehn zu seiner Frau sprach: „Nie wär's, wenn wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer uns soleche hilfreiche Hand leistet?“ Die Frau war's zufrieden und steckté ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben acht. Als es NMitternacht war, da kamen zwei kleine niedliche nackte Mãannlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich und fingen an, mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, dab der Schuster vor Ver- wunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie leben nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war und fertig auf dem Tische stand; dann sprangen sie schnell fort. 3. Am andern Morgen sprach die Frau: „Die kleinen Männer haben uns reich gemacht, wir mübßten uns doch dankbar dafür